Heft 1/2023 (Januar 2023)

Aktuelles Heft

Abhandlungen

Ministerialrat i.R. Prof. Dr. Rolf Wagner, Potsdam
Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung und Arrest mit nachfolgender Kontenpfändung 1

Die Vollstreckung einer Forderung darf auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht dadurch gefährdet werden, dass der Schuldner Gelder von seinem Konto überweist oder abhebt. Ein Gläubiger mit Wohnsitz im Staat A hat verschiedene Möglichkeiten, ein Bankkonto seines Schuldners im Staat B vorläufig pfänden zu lassen. So kann er eine einstweilige Maßnahme im Staat A beantragen und diese Maßnahme im Staat B nach der EuGVVO im Wege der Kontenpfändung vollstrecken lassen. Er kann aber auch nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung vorgehen. Dann muss er im Staat A einen Europäischen Kontenpfändungsbeschluss erwirken und diesen im Staat B vollstrecken lassen. Beim Vergleich dieser beiden Möglichkeiten geht der Autor auf die Rechtsnatur des Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses und auf Feinheiten der Vollstreckung nach der Europäischen Kontenpfändungsverordnung ein.

Entscheidungsrezensionen

H. Roth:
Die „Entscheidungserheblichkeit“ der Vorlagefrage nach Art. 267 AEUV (EuGH, verbundene Rs. C- 208/20 und Rs. C-256/20, S. 57) 8

Das Vorabentscheidungsverfahren des Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sichert die einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts. Die Voraussetzungen für Vorlageersuchen der nationalen Gerichte beruhen auf einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (EuGH) und sind in Art. 94 der Verfahrensordnung des EuGH zusammengefasst. Unter anderem muss die Vorlagefrage entscheidungserheblich sein. Das künftige Urteil des vorlegenden Gerichts muss also von der Auslegung des Unionsrechts abhängig sein. In Fällen offenkundig fehlender Entscheidungserheblichkeit weist der Gerichtshof das Ersuchen als unzulässig zurück. Das besprochene Urteil des EuGH betrifft einen dieser eher seltenen Fälle in seiner Entscheidungspraxis. Die begehrte Auslegung des Unionsrechts stand überwiegend in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits des vorlegenden bulgarischen Gerichts.

S. Mock/C. Illetschko:
Der allgemeine internationale Gerichtsstand bei Anlegerklagen gegen Organmitglieder internationaler Konzerne (OLG Innsbruck, S. 59) 11

Mit dem vorliegenden Beschluss hat das Oberlandesgericht Innsbruck (Österreich) entschieden, dass für Anlegerklagen gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der deutschen Wirecard AG, Markus Braun, (auch) österreichische Gerichte zuständig sind. Die Entscheidung macht deutlich, dass die Wohnsitzanknüpfung der Art 4, 62 Brüssel-Ia-VO für den Gerichtsstand natürlicher Personen bei direkten Schadenersatzklagen gegen Organmitglieder dazu führen kann, dass zentrale Fragen komplexer Anlegerprozesse gleichzeitig vor den Gerichten mehrerer Mitgliedstaaten entschieden werden. Der vorliegende Beitrag untersucht die Entscheidung und legt dabei den Schwerpunkt auf den Umgang mit Mehrfachwohnsitzen im Rahmen der Brüssel-Ia-VO.

Christian Kohler:
In der Fehlhalde: Der EuGH beharrt auf der Mosaiklösung bei der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit im Fall der Verbreitung verletzender Inhalte im Internet (EuGH, Rs. C- 251/20, S. 62) 14

FAO

In der Rechtssache C-251/20, Gtflix Tv, entschied der EuGH, dass eine Person, deren Rechte angeblich durch die Verbreitung verunglimpfender Äußerungen im Internet verletzt wurden, nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet diese Äußerungen zugänglich sind oder waren, Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihr in dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts entstanden sein soll, selbst wenn diese Gerichte nicht für die Entscheidung über den Antrag auf Richtigstellung und Entfernung der sie betreffenden Äußerungen zuständig sind. Der EuGH bestätigt damit die im Urteil C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising, entwickelte und im Urteil C- 194/16, Bolagsupplysningen, fortgeführte „Mosaiklösung“ für Klagen auf Schadensersatz wegen der Verbreitung verletzender Inhalte im Internet. Der Autor kritisiert diese Lösung, weil sie das Interesse an einer geordneten Rechtspflege übergeht, indem sie Mehrfachzuständigkeiten wegen desselben Vorgangs begünstigt und die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit durch den Beklagten erschwert. Da mit einer Änderung dieser international isolierten Rechtsprechung nicht zu rechnen ist, kann eine Korrektur nur vom Unionsgesetzgeber erwartet werden.

T. Lutzi:
Art. 7 Nr. 2 EuGVVO als Regelung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit für Kartellschadensersatzklagen (EuGH, Rs. C-20/30, S. 65) 20

Erneut hat das sog. “Lkw-Kartell“ dem EuGH Gelegenheit gegeben, die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO im Fall von Kartellschäden zu präzisieren. Der Gerichtshof bestätigt seine bisherige Judikatur, nach der der Schadensort dort zu lokalisieren ist, wo sich die Wettbewerbsverzerrung auf den Markt ausgewirkt hat und der Geschädigte zugleich individuell betroffen ist. Beim Kauf von Gegenständen zu einem durch die Kartellabsprache überhöhten Preis ist dies nach Auffassung des EuGH der Erwerbsort, sofern dort alle Gegenstände erworben worden seien, anderenfalls der Ort, an dem der Geschädigte seinen Sitz habe. Da vorliegend beide Orte in Spanien lagen und eine Festlegung zwischen ihnen daher nur für die – von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ebenfalls geregelte – Frage der örtlichen Zuständigkeit erforderlich war, konnte der EuGH die Vorlage zugleich für einige instruktive Ausführungen zum Verhältnis zwischen nationalen und europäischen Regeln über die örtliche Zuständigkeit nutzen.

C. Danda:
The concept of the weaker party in direct actions against the insurer (EuGH, Rs. C-393/20, S. 69) 24

In seiner Entscheidung T.B. und D. sp. z. o. ./. G.I. A/S hatte der EuGH erneut über den Begriff der schwächeren Partei und die vorteilhaften Zuständigkeiten des Versicherungsabschnitts (Art. 10–16 EuGVVO) zu entscheiden. Im Falle von Direktklagen gegen den Versicherer des Schädigers stehen diese Zuständigkeiten nur einem eingeschränkten Klägerkreis zur Verfügung (siehe Erwägungsgrund 18 und Art. 13 Abs. 2 EuGVVO). In dem ursprünglichen Verfahren – einer verbundenen Rechtssache vor dem Bezirksgericht Krakau – hatten die Kläger Versicherungsansprüche von in Polen ansässigen Personen erworben, die bei Autounfällen in Polen Schäden an ihren Fahrzeugen erlitten hatten. Bei den klagenden polnischen Zessionaren handelt es sich um einen Schadenssachverständigen (T.B) und eine Kfz-Werkstatt, die auch Leihwagen zur Miete anbietet (D. sp. z o.o). Der direkt geklagte Versicherer der Schädiger G.I. A/S hat seinen Sitz in Dänemark. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass nicht nur gewerblich tätigen Kläger, die gezielt Versicherungsansprüchen erwerben, keine schwächere Partei darstellen und daher vom Versicherungsabschnitt ausgeschlossen sind, sondern zudem auch jene, denen Versicherungsansprüche regelmäßig als Entgelt für ihre Leistungen abgetreten werden. Die Kläger konnten sich daher nicht auf den Heimatgerichtsstand des Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO und den Tatortgerichtsstand nach Art. 12 EuGVVO berufen. Das Gericht knüpft damit an seine früheren Entscheidungen in Hofsoe und CNP an.

Mit dieser weiteren Einschränkung des Schutzbereiches des Abschnitts für Versicherungssachen bekräftigt der EuGH den in Erwägungsgrund 18 EuGVVO verankerten Grundsatz, dass sich bei grenzüberschreitenden Versicherungsverträgen nur die schwächere Partei auf die vorteilhaften Zuständigkeiten des Versicherungsabschnitts (Art. 10–16 EuGVVO) berufen kann. Die Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass sich der Begriff der schwächeren Partei in Art. 13 Abs. 2 EuGVVO strikt aus dem typisierten Ungleichgewicht in Versicherungssachen ableitet, was eine Einzelfallbetrachtung unter Zugrundelegung der Eigenschaften der beteiligten Parteien ausschließt. Das Gericht begründet den Ausschluss der Kläger aus dem Abschnitt für Versicherungssachen schlussendlich mit der in Polen üblichen Geschäftspraxis der Anspruchsabtretung und der sich daraus ergebenden Expertise der Kläger. Es handelt sich also um eine vermittelnde Lösung, die den grundsätzlich beweglichen Begriff der schwächeren Partei mit der starren Logik des typisierten Ungleichgewichts in Einklang bringen soll. Es bleibt ungewiss, ob dieser Ansatz in weiteren Fällen zu schlüssigen Ergebnissen führen wird oder ob sich die nationalen Gerichte gezwungen sehen, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Gleichzeitig bestätigte das Gericht, dass sich die Kläger auf die besonderen Zuständigkeiten in Abschnitt 2 EuGVVO berufen können. In Anbetracht der restriktiven Rechtsprechung des EuGH zum Schadensgerichtsstand des Art. 7(2) EuGVVO bleibt es jedoch fraglich, ob dieser Gerichtsstand bei Direktklagen gegen den Versicherer eröffnet ist. Das Gericht hat sich mit dieser Frage leider inhaltlich nicht befasst und wird vermutlich erneut dazu angerufen werden.

C. Reibetanz:
Prozessualer Verbraucherschutz nach EuGVVO und Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (BayObLG, S. 72) 28

Der Beitrag beschäftigt anlässlich einer Entscheidung des BayObLG mit der Zuständigkeitsbestimmung für Streitgenossen nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Fällen mit Auslandsberührung. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts muss vor einer im Ermessen des Gerichts liegenden Zuständigkeitsbestimmung nach autonomem Prozessrecht die internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO sorgfältig geprüft werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die EuGVVO nicht nur die internationale sondern auch die örtliche Zuständigkeit festlegt, wie etwa im Falle des Gerichtsstands am Verbraucherwohnsitz (Art. 18 Abs. 1 EuGVVO) oder des Gerichtsstands der Niederlassung (Art. 7 Nr. 5 EuGVVO). Eine Verschiebung einer sich aus der EuGVVO ergebenden örtlichen Zuständigkeit mittels § 36 ZPO ist unzulässig.

M.F. Müller:
Anforderungen an das verfahrenseinleitende Schriftstück eines Adhäsionsverfahrens im Rahmen des Anerkennungsversagungsgrunds der Verletzung rechtlichen Gehörs (BGH, S. 75) 33

Der BGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Voraussetzungen das verfahrenseinleitende Schriftstück zu erfüllen hat, sodass seine Zustellung den Anerkennungsversagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO hinsichtlich eines Urteils ausschließen kann, das in einem Adhäsionsverfahren ergangen ist. Diese Voraussetzungen betreffen Gegenstand und Grund der Klage sowie den Stand des Verfahrens. Die entsprechenden Informationen müssen ausreichend sein, um das Recht auf rechtliches Gehör des Beklagten zu gewährleisten. Dem Gericht zufolge waren sowohl eine gewisse Mitteilung des Untersuchungsrichters und eine weitere Mitteilung der Staatsanwaltschaft bezogen auf den Grund der Klage und den Stand des Verfahrens nicht spezifisch genug. Daher blieb die Frage bezogen auf den Gegenstand der Klage unbeantwortet, ob das verfahrenseinleitende Schriftstück in einem Adhäsionsverfahren Informationen über die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche enthalten muss. Der Verfasser billigt das Ergebnis der Entscheidung. Gleichwohl argumentiert er, dass Gericht hätte die Chance gehabt, einer Argumentationslinie zu folgen, die es ihm ermöglicht hätte, die entsprechende Frage dem EuGH vorzulegen. Der Verfasser schlägt vor, für das verfahrenseinleitende Schriftstück einen, nicht notwendigerweise bezifferten, Antrag betreffend die zivilrechtlichen Ansprüche zu verlangen.

B. Steinbrück/J.F. Krahé:
§ 1032 Abs. 2 ZPO, das ICSID-Übereinkommen und Achmea – eine Kollision oder zwei Kollisionen? (KG, S. 77) 36

Wenngleich der EuGH in den Urteilen Achmea und Komstroy Investor-Staat-Schiedsverfahren innerhalb der EU für unionsrechtswidrig befunden hat, sind die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf Schiedsverfahren unter der häufig als „self-contained regime“ beschriebenen ICSID-Konvention bislang formell ungeklärt. Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens hat das Kammergericht nun entschieden, dass diese Vorschrift keine Anwendung auf ICSID-Schiedsverfahren finden kann. Die Entscheidungsbesprechung hebt hervor, dass das Kammergericht dadurch eine Interpretation der ICSID-Konvention wählt, die einen Konflikt zwischen der ICSID-Konvention und der ZPO erst herbeiführt, während es gleichzeitig den bereits bestehenden Konflikt zwischen ICSID-Konvention und Unionsrecht übergeht.

L. Kuschel:
Urheberrechtsverletzung auf Hoher See (LG Hamburg, S. 81) 42

Die Hohe See, der Weltraum, der Tiefseeboden und die Antarktis sind extraterritorial – kein Staat darf in diesen Räumen Hoheitsgewalt ausüben. Immaterialgüterrechte wiederum unterliegen traditionell dem Territorialitätsprinzip – sie existieren nur innerhalb der Grenzen des Staates, der sie gewährt und können auch nur hier verletzt werden. Kann das Urheberrecht als territoriales Recht an Bord eines Schiffes auf Hoher See also überhaupt verletzt werden? Und falls ja, welches nationale Urheberrecht wäre anzuwenden? Mit diesen Fragen war das LG Hamburg konfrontiert, als es über den Rechtsstreit zwischen einer Kreuzfahrtreederei und der Nutzungsrechtsinhaberin der Senderechte der Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2019 zu entscheiden hatte. Wenig überzeugend versucht das Gericht, diese grundlegenden Fragen zu umschiffen: Es anerkennt die von den Parteien getroffene Wahl zugunsten deutschen Rechts, trotz des Ausschlusses der Rechtswahl in Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO und des etablierten Flaggenstatuts, das zur Anwendung des Urheberrechts von Malta geführt hätte.

T. Helms:
Anknüpfung der Ehe als Vorfrage im Internationalen Abstammungs- und Namensrecht bei Geburt im Jahre 1966 (OLG Nürnberg, S. 86) 46

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat über die Vorfrage der Wirksamkeit einer Ehe für die Abstammung und den Namen eines im Jahre 1966 geborenen Kindes entschieden, dessen griechische Eltern vor einem nicht ordnungsgemäß ermächtigten griechisch-orthodoxen Geistlichen in Deutschland eine aus deutscher Sicht unwirksame Ehe geschlossen hatten. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Vorfrage der Elternehe sowohl im Abstammungs- als auch im Namensrecht grundsätzlich selbständig anzuknüpfen sei. Doch wird das Ergebnis im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die namensrechtliche Rechtsprechung des EuGH im Wege einer europarechtskonformen Auslegung für die Zwecke der Namensführung korrigiert, sodass das Kind auch aus deutscher Sicht den (vom Ehemann seiner Mutter abgeleiteten) Namen führen kann, der im griechischen Personenstandsregister eingetragen worden war.

K. Duden:
IPR im Ungefähr – Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts, Ersatzrechtsanwendung und Offenlassen des anwendbaren Rechts (OLG Hamburg, S. 90) 49

Ein Grundanliegen des Internationalen Privatrechts ist es, auf Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug das sachnächste Recht anzuwenden – gleich welcher Rechtsordnung es zu entnehmen ist. Die vorliegende Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts sowie das Verfahren der Vorinstanz zeigen, wie schwierig die Umsetzung dieses Ziels in der Praxis werden kann, wenn ein entlegenes Recht zur Anwendung berufen wird und es an Informationen zu dessen Inhalt fehlt. Die Anmerkung befasst sich daher zunächst mit der Frage, wann ein ausländisches Recht als nicht ermittelbar gilt. Es wird untersucht, wie weit die Ermittlungspflicht des Gerichts reicht, und argumentiert, dass die Ermittlungspflicht nicht durch unverhältnismäßige Kosten der Ermittlungsmaßnahmen beschränkt zu sein scheint, wohl aber durch deren unverhältnismäßige Dauer. Im Anschluss wendet sich die Anmerkung der Ersatzrechtsanwendung bei Nichtermittelbarkeit zu. Anhand der vorliegenden Entscheidung und dem vorherigen Verfahren werden die Vorzüge der Anwendung der lex fori als Ersatzrecht aufgezeigt – nicht als ideale Lösung, wohl aber als überzeugendste mehrerer Notlösungen. Abschließend wird darauf eingegangen, warum ausnahmsweise zulässig ist, dass die Entscheidung offenlässt, ob deutsches oder ausländisches Recht anwendbar ist.

Rezensierte Entscheidungen

Heft
1/2023

 1 EuGH 9.9.2021 verbundene Die „Entscheidungserheblichkeit“ der Vorlagefrage nach Rs. C-208/20 Art. 267 AEUV [H. Roth, S. 8] und C-256/20 57

 2 OLG Innsbruck 14.10.2021 2 R 113/21s Der allgemeine internationale Gerichtsstand bei Anlegerklagen gegen Organmitglieder internationaler Konzerne [S. Mock/C. Illetschko, S. 11] 59

 3 EuGH 21.12.2021 Rs. C-251/20 In der Fehlhalde: Der EuGH beharrt auf der Mosaiklösung bei der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit im Fall der Verbreitung verletzender Inhalte im Internet [C. Kohler, S. 14] 62

 4 EuGH 15.7.2021 Rs. C-20/30 Art. 7 Nr. 2 EuGVVO als Regelung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit für Kartellschadensersatzklagen [T. Lutzi, S. 20] 65

 5 EuGH 21.10.2021 Rs. C-393/20 The concept of the weaker party in direct actions against the insurer [C. Danda, S. 24] 69

 6 BayObLG 24.6.2021 101 AR 53/21 Prozessualer Verbraucherschutz nach EuGVVO und Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO [C. Reibetanz, S. 28] 72

 7 BGH 10.3.2022 IX ZB 36/20 Anforderungen an das verfahrenseinleitende Schriftstück eines Adhäsionsverfahrens im Rahmen des Anerkennungsversagungsgrunds der Verletzung rechtlichen Gehörs [M.F. Müller, S. 33] 75

 8 KG 28.4.2022 12 SchH 6/21 § 1032 Abs. 2 ZPO, das ICSID-Übereinkommen und Achmea – eine Kollision oder zwei Kollisionen? [B. Steinbrück/J. F. Krahé, S. 36] 77

 9 LG Hamburg 18.6.2021 310 O 317/19 Urheberrechtsverletzung auf Hoher See [L. Kuschel, S. 42] 81

10 OLG Nürnberg 25.11.2020 11 W 4194/19 Anknüpfung der Ehe als Vorfrage im Internationalen Abstammungs- und Namensrecht bei Geburt im Jahre 1966 [T. Helms, S. 46] 86

11 OLG Hamburg 29.3.2021 2 W 17/20 IPR im Ungefähr – Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts, Ersatzrechtsanwendung und Offenlassen des anwendbaren Rechts [K. Duden, S. 49] 90

Blick ins Ausland

M. Weller:
Kollisionsrecht und NS-Raubkunst: U.S. Supreme Court, Entscheidung vom 21. April 2022, 596 U.S. 142 S.Ct. 1502 (2022) – Cassirer et al. ./. Thyssen-Bornemisza Collection Foundation 97

Die in Verfahren zu NS-Raubkunst streitgegenständlichen Objekte stehen nach mehr als acht Jahrzehnten seit ihrem präsumtiven Entzug typischerweise am Ende einer Kette von Übereignungen mit zahlreichen grenzüberschreitenden Elementen. Herausgabeklagen vor staatlichen Gerichten stellen deswegen die Lehren des internationalen Privat- und Verfahrensrechts vielfältig auf die Probe – so auch in der jüngsten Entscheidung des U.S. Supreme Court in Cassirer. Zur Überprüfung gestellt war allerdings allein die sehr spezielle, metakollisionsrechtliche Frage, nach welchem Kollisionsrecht ein Herausgabeanspruch bei Klage gegen einen ausländischen Staat zu beurteilen ist, wenn die US-amerikanischen Gerichte ihre Gerichtsbarkeit auf die „expropriation exception“ von der Staatenimmunität gemäß § 1605(3)(a) Federal Sovereign Immunities Act (FSIA) stützen? Die Vorinstanz hatte eine Kollisionsregel des federal common law angenommen. Der U.S. Supreme Court hat demgegenüber im Lichte der Erie und Klaxon-Doktrin entschieden, dass das bundesstaatliche Kollisionsrecht des Sitzstaates des föderalen Instanzgerichts zur Anwendung komme.

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