Heft 4/2024 (Juli 2024)

Anti-SLAPP-Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht

Am 16.4.2024 wurde die Anti-SLAPP-Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 1069 v. 16.4.2024, S. 1) veröffentlicht. Die Richtlinie ist am 5.6.204 in Kraft getreten und muss bis zum 7.5.2025 durch die Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

 

Art. 12 Abs. 1 EuUnterhVO und anderweitige Rechtshängigkeit bei Volljährigkeit während des Verfahrens

EuGH 6.6.2024 – C-381/23 – ZO ./. JS

Art. 12 Abs. 1 EuUnterhVO ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen der Anerkennung einer Situation der Rechtshängigkeit, nach denen die Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden müssen, nicht erfüllt sind, wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Kind, das zwischenzeitlich volljährig geworden ist, bei einem Gericht eines Mitgliedstaats zulasten seiner Mutter die Zahlung von Unterhalt beantragt, die Mutter bei einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats bereits einen Antrag gestellt hat, mit dem sie vom Vater des Kindes einen Ausgleich wegen der Unterbringung und des Unterhalts des Kindes verlangt, da die Ansprüche der Antragsteller nicht dasselbe Ziel verfolgen und sich in zeitlicher Hinsicht nicht decken. Das Nichtvorliegen einer Situation der Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EuUnterhVO steht der Anwendung von Art. 13 EuUnterhVO jedoch nicht entgegen, wenn zwischen den fraglichen Verfahren eine so enge Beziehung besteht, dass sie im Sinne von Art. 13 Abs. 3 EuUnterhVO im Zusammenhang stehen, so dass das vorlegende Gericht als später angerufenes Gericht das Verfahren aussetzen könnte.

 

Art. 62 Abs. 1 EuGVVO und Wohnsitzbestimmung

EuGH 16.5.2024 – C-222/23 – Toplofikatsia Sofia

  1. Art. 62 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach als Wohnsitz von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, eine Anschrift gilt, die immer im ersten Mitgliedstaat eingetragen bleibt.
  2. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 EuGVVO sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass eine nationale Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung einem Gericht eines Mitgliedstaats in anderen als den in den Abschnitten 2 bis 7 des Kapitels II EuGVVO vorgesehenen Situationen die Zuständigkeit verleiht, einen Mahnbescheid gegen einen Schuldner zu erlassen, bei dem plausible Gründe für die Annahme bestehen, dass er zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hatte.
  3. Art. 7 EuZustVO 2020 ist dahin auszulegen, dass er einem Gericht eines Mitgliedstaats, das für den Erlass eines Mahnbescheids gegen einen Schuldner zuständig ist, bei dem plausible Gründe für die Annahme bestehen, dass er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, nicht verwehrt, sich an die zuständigen Behörden zu wenden und die von diesem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung gestellten Mittel zu nutzen, um zum Zweck der Zustellung des Mahnbescheids die Anschrift dieses Schuldners zu ermitteln.

 

Art. 25 Abs. 1 EuGVVO und Drittinhaber des Konnossements

EuGH 25.4.2024 – C-345/22 – Maersk ./. Allianz Seguros y Reaseguros SA

  1. Art. 25 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass sich die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel gegenüber dem Drittinhaber des Konnossements, in dem diese Klausel enthalten ist, nicht nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, dem das oder die in der Klausel bezeichneten Gerichte angehören. Die Klausel kann dem Drittinhaber entgegengehalten werden, wenn er durch den Erwerb des Konnossements in sämtliche Rechte und Pflichten einer der ursprünglichen Vertragsparteien eintritt, was nach dem in der Sache anwendbaren Recht zu beurteilen ist, das nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts des Mitgliedstaats, dem das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht angehört, zu bestimmen ist.
  2. Art. 25 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein an einem Seefrachtvertrag zwischen einem Verfrachter und einem Befrachter nicht beteiligter Dritter, der das diesen Vertrag dokumentierende Konnossement erwirbt und somit dessen Drittinhaber wird, in alle Rechte und Pflichten des Befrachters mit Ausnahme derjenigen eintritt, die sich aus einer in dem Konnossement enthaltenen Gerichtsstandsklausel ergeben, und diese Klausel dem Dritten nur dann entgegengehalten werden kann, wenn er sie einzeln und gesondert ausgehandelt hat.

 

Art. 7 und 35, Art. 3 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 EuInsVO 2017 und Art. 34 EuInsVO 2017 intertemporaler Anwendungsbereich und Vermögensbelegenheit

EuGH 18.4.2024 – C-765/22 – Luis Carlos u. a. ./. Air Berlin Luftverkehrs KG, Sucursal en España

  1. Art. 7 und 35 EuInsVO 2017 in Verbindung mit ihrem 72. Erwägungsgrund sind dahin auszulegen, dass die Rechtsvorschriften des Staates der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens nur für Forderungen gelten, die nach der Eröffnung dieses Verfahrens entstanden sind, und nicht für Forderungen, die zwischen der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens und der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens entstanden sind.
  2. Art. 3 Abs. 2 und Art. 34 EuInsVO 2017 sind dahin auszulegen, dass die Vermögensmasse, die in dem Staat belegen ist, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird, nur aus dem zum Zeitpunkt der Eröffnung dieses Verfahrens im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats belegenen Vermögen besteht.
  3. Art. 21 Abs. 1 EuInsVO 2017 ist dahin auszulegen, dass der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem des Hauptinsolvenzverfahrens entfernen darf, obwohl ihm bekannt ist, dass es zum einen lokale Gläubiger im Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats gibt, die durch Urteil festgestellte Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen haben, und dass zum anderen ein Arbeits- und Sozialgericht dieses Mitgliedstaats eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet hat.
  4. Art. 21 Abs. 2 EuInsVO 2017 ist dahin auszulegen, dass der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens eine Anfechtungsklage gegen eine Handlung des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens erheben kann.

 

Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b EuGVVO und Art. 3 Abs. 1 EuInsVO 2002: Vorrang der EuInsVO 2002

Schlussanträge der Generalanwältin Leila Medina beim EuGH 18.4.2024 – C-394/22

  1. Art. 1 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO und Art. 3 Abs. 1 EuInsVO 2002 sind dahin auszulegen, dass, wenn bei einem mitgliedstaatlichen Gericht ein Insolvenzverfahren anhängig ist, in dessen Rahmen eine Forderung aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zur Bezahlung einer Lieferung von Gegenständen angemeldet wurde, und dieselbe Forderung Gegenstand einer gegen das insolvente und von dem Insolvenzverfahren betroffene Unternehmen gerichteten Klage ist, diese Klage in den Anwendungsbereich der EuInsVO 2002
  2. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO 2002 und der Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, durch die die ausschließliche Zuständigkeit eines zuerst mit einem Insolvenzverfahren befassten mitgliedstaatlichen Gerichts für einen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung bestehenden Anspruch auf Bezahlung einer Lieferung von Gegenständen, der zur Insolvenzmasse gehört, umgangen wird.

 

Art. 7 Abs. 1 EuKPfVO und Präklusionswirkung

Vorabentscheidungsersuchen des Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) 12.3.2024 – C-198/24

Ist die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 EuKPfVO dahin auszulegen, dass Handlungen des Schuldners, die drei Jahre oder länger zurück liegen, und/oder Hindernisse bei der Vollstreckung der Entscheidung im Mitgliedstaat des Schuldners nicht zu berücksichtigen sind?

 

Anwendungsbereich Art. 31 EuInsVO 2017

Vorabentscheidungsersuchen des OGH (Österreich) 8.3.2024 – C-186/24

  1. Ist Art. 31 Abs. 1 EulnsVO 2017 dahin auszulegen, dass unter Leistungen an den Schuldner, die an den Verwalter des Insolvenzverfahrens geleistet hätten werden müssen, im Sinn dieser Bestimmung auch solche Leistungen fallen, die aus einem Rechtsgeschäft, das der Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Übergang der Befugnisse auf den Verwalter abgeschlossen hat, resultieren?

Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird:

  1. Ist Art. 31 Abs. 1 EulnsVO 2017 dahin auszulegen, dass als Ort der Leistung im Sinn dieser Bestimmung jener Ort anzusehen ist, von dem aus die Zahlung des Dritten durch Überweisung von einem dortigen Bankkonto erfolgt, auch wenn der Dritte nicht in diesem, sondern einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Leistung des Schuldners wiederum nicht dort, sondern über eine Zweigniederlassung des Dritten in einem weiteren Mitgliedstaat erfolgte, nämlich in jenem, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde?

 

Art. 12 EuBewVO 2020 und ordre public

Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal judiciaire de Chambéry (Frankreich) 20.2.2024 – C-196/24

  1. Erlaubt Art. 12 EuBewVO 2020 dem nationalen Gericht, die Anwendung dieser Verordnung abzulehnen und es abzulehnen, dem Ersuchen des ersuchenden Staates nachzukommen, weil die Form des Ersuchens wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts des ersuchten Staats, insbesondere Art. 16-11 Code civil, zuwiderliefe?
  2. Wenn Art. 12 EuBewVO 2020 ohne Berücksichtigung des nationalen Rechts anzuwenden ist, wie sind Art. 1 (Recht auf Würde) und Art. 7 (Recht auf Achtung des Privatlebens) Charta der Grundrechte auszulegen und in Beziehung zueinander zu setzen, um festzustellen, ob eine solche Anwendung der Verordnung gegen die Charta der Grundrechte verstößt?

 

Rom II-VO und deliktische Schadenersatzklage gegen ein Organ bei konzessionslosem Online-Glücksspiel

Vorabentscheidungsersuchen des OGH (Österreich) 1.2.2024 – C-77/24

  1. Ist Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II-VO dahin auszulegen, dass er sich auch auf Schadenersatzansprüche gegen ein Organ einer Gesellschaft bezieht, die ein Gesellschaftsgläubiger auf deliktischen Schadenersatz wegen Verletzung von Schutzgesetzen (wie etwa Bestimmungen des Glücksspielrechts) durch das Organ stützt?
  2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:

Ist Art 4 Abs 1 Rom II-VO dahin auszulegen, dass sich der Ort des Schadenseintritts bei einer deliktischen Schadenersatzklage gegen ein Organ einer konzessionslos Online-Glücksspiel in Österreich anbietenden Gesellschaft wegen erlittener Spielverluste richtet nach

  1. a) dem Ort, von dem aus der Spieler Überweisungen von seinem Bankkonto auf das von der Gesellschaft geführte Spielerkonto leistet,
  2. b) dem Ort, wo die Gesellschaft das Spielerkonto führt, auf dem Einzahlungen des Spielers, Gewinne, Verluste und Boni gebucht werden,
  3. c) dem Ort, von dem aus der Spieler Spieleinsätze über dieses Spielerkonto tätigt, die letztlich zu einem Verlust fuhren,
  4. d) dem Wohnort des Spielers als Belegenheitsort seiner Forderung auf Auszahlung seines Guthabens auf dem Spielerkonto,
  5. e) dem Belegenheitsort seines Hauptvermögens?

 

Art. 66 EuGVVO und der Begriff der Einreichung einer Klageschrift

Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy w Koszalinie (Polen) 31.1.2024 – C-99/24

  1. Ist Art. 66 EuGVVO dahin auszulegen, dass unter „Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens“ die Einreichung einer Klageschrift durch den Kläger in einer Rechtssache oder auch die Einreichung eines Antrags durch den Beklagten auf erneute Überprüfung dieser Sache nach deren rechtskräftigem Abschluss zu verstehen ist?

Je nach Beantwortung der obigen Frage:

  1. Sind die Bestimmungen von Kapitel II EuGVVO 2001, hilfsweise, die Bestimmungen von Kapitel II EuGVVO, dahin auszulegen, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats auf Zahlung eines Entgelts für die außervertragliche Nutzung einer in diesem anderen Mitgliedstaat belegenen unbeweglichen Sache verklagt werden kann?

 

EuUnterhVO und Drittstaatenaufenthalt

Vorabentscheidungsersuchen Sofiyski rayonen sad (Bulgarien) 29.1.2024 – C-67/24

  1. Ist Erwägungsgrund 15 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegensteht, nach der sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Anträge auf Unterhaltsleistungen für Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat (hier Kanada) haben, nach nationalem Recht und nicht nach der Verordnung bestimmt?
  2. Sind die Art. 3 und 8 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegenstehen, nach der der Begriff „Antrag auf Unterhaltsleistungen“ einen Antrag auf Herabsetzung von Unterhaltsleistungen nicht erfasst und die Art. 3 bis 6 EuUnterhVO nur auf Anträge auf Gewährung von Unterhaltsleistungen anwendbar sind?
  3. Ist Art. 6 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass der Begriff „gemeinsame Staatsangehörigkeit“ auch Fälle erfasst, in denen eine oder mehrere Parteien eine doppelte Staatsangehörigkeit haben, oder erfasst er nur Fälle völlig identischer Staatsangehörigkeiten?
  4. Ist Art. 7 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass er der Annahme eines „Ausnahmefalls“ nicht entgegensteht, wenn der Unterhaltspflichtige einen Antrag auf Herabsetzung von Unterhaltsleistungen stellt und der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat und außer seiner Staatsangehörigkeit keinen weiteren Bezug zur Union hat?

 

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO bei Online-Plattform-Delikten

Vorabentscheidungsersuchen Rechtbank Amsterdam (Niederlande) 18.1.2024 – C-34/24

Frage 1 (Handlungsort)

  1. Welcher Ort ist in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem der behauptete Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV in einem Mitgliedstaat mittels Verkäufen über eine von Apple verwaltete, auf den gesamten Mitgliedstaat ausgerichtete Online-Plattform durchgeführt wurde, wobei Apple Irland als Alleinvertriebshändlerin und Kommissionärin des Entwicklers auftritt und eine Provision von der Kaufsumme einbehält, als Ort des schädigenden Handelns im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO einzustufen? Ist dabei von Bedeutung, dass die Online-Plattform grundsätzlich weltweit zugänglich ist?
  2. Macht es dabei einen Unterschied, dass es vorliegend um Klagen geht, die nach Art. 3:305a BW von einer juristischen Person erhoben worden sind, die als Zweck hat, die kollektiven Interessen mehrerer Benutzer, die ihren Wohnsitz in verschiedenen Gerichtsbezirken (in den Niederlanden: arrondissementen) innerhalb eines Mitgliedstaats haben, kraft eigenen Rechts zu vertreten?
  3. Falls auf der Grundlage von Frage 1a (und/oder 1b) nicht nur ein, sondern mehrere nationale Gerichte im betreffenden Mitgliedstaat örtlich zuständig sind, steht Art. 7 Nr. EuGVVO dann einer Anwendung von nationalem (Verfahrens-)Recht entgegen, das die Verweisung an nur ein Gericht in diesem Mitgliedstaat ermöglicht?

Frage 2 (Erfolgsort)

  1. Kann in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem der behauptete Schaden infolge des Kaufs von Apps und digitalen In-App-Produkten über eine von Apple verwaltete Online-Plattform (App Store) entstanden ist, wobei Apple Irland als Alleinvertriebshändlerin und Kommissionärin der Entwickler auftritt und eine Provision von der Kaufsumme einbehält (und wobei sowohl ein geltend gemachter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV als auch ein behaupteter Verstoß gegen das Kartellverbot im Sinne von Art. 101 AEUV stattgefunden haben), und bei dem der Ort, an dem die Käufe getätigt worden sind, nicht feststellbar ist, ausschließlich der Wohnsitz des Benutzers als Anknüpfungskriterium für den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO dienen? Oder gibt es in dieser Situation auch andere Anknüpfungskriterien für die

Bestimmung des zuständigen Gerichts?

  1. Macht es dabei einen Unterschied, dass es vorliegend um Klagen geht, die nach Art. 3:305a BW von einer juristischen Person erhoben worden sind, die als Zweck hat, die kollektiven Interessen mehrerer Benutzer, die ihren Wohnsitz in verschiedenen Gerichtsbezirken (in den Niederlanden: arrondissementen) innerhalb eines Mitgliedstaats haben, kraft eigenen Rechts zu vertreten?
  2. Falls auf der Grundlage von Frage 2a (und/oder 2b) ein nationales Gericht im betreffenden Mitgliedstaat örtlich zuständig ist, das nur für die Klagen hinsichtlich eines Teils der Benutzer in diesem Mitgliedstaat zuständig ist, während für die Klagen hinsichtlich eines anderen Teils der Benutzer andereGerichte in demselben Mitgliedstaat örtlich zuständig sind, steht Art. 7 Nr. 2 EuGVVO dann einer Anwendung von nationalem (Verfahrens-)Recht entgegen, das die Verweisung an nur ein Gericht in diesem Mitgliedstaat ermöglicht?

 

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO und Bestandsdatenauskunft

BGH 28.9.2023 – III ZB 25/21

Die Geltendmachung deliktischer Ansprüche gegen einen Dritten genügt nicht, um im Gestattungsverfahren zur Bestandsdatenauskunft durch Anbieter von Telemedien den Deliktsgerichtsstand der EuGVVO zu begründen.

 

Art. 7 Nr. 2 LugÜ 2007 bei Inlandszustellung

BayObLG – 101 AR 9/24 e

Die internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen eine in der Schweiz ansässige Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, mit der ein in Deutschland wohnhafter Unfallgeschädigter Schadenersatz wegen eines Verkehrsunfalls in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union fordert, richtet sich unbeschadet des Umstands, dass die Klage im Inland unter der Adresse der als „Direktion für Deutschland“ bezeichneten Organisationseinheit zugestellt werden kann, nach dem LugÜ 2007.

 

Anerkennung einer jüdischen Scheidung

KG 14.5.2024 – 1 VA 13/24

Die Anerkennung einer in Israel mittels Übergabe des Scheidebriefs durch den Ehemann und dessen Annahme durch die Ehefrau erfolgten Ehescheidung scheidet aus, wenn wegen der – auch – deutschen Staatsangehörigkeit eines Ehegatten das deutsche Scheidungsstatut anzuwenden ist. Daran ändert es nichts, wenn die Ehescheidung einverständlich unter Beteiligung des Rabbinatsgerichts erfolgt ist.

 

OLG Frankfurt 12.12.2023 – 5 U 207/21

  1. Der Anspruch aus § 92 Abs. 2 S. 1 AktG a.F. i.V.m. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG a.F. unterliegt dem Insolvenzstatut.
  2. Die Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG unterliegt dem Gesellschaftsstatut.
  3. Bei der Ermessenausübung nach § 293 ZPO findet Berücksichtigung, ob Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder ob sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen.

 

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