Heft 3/2021 (Mai 2021)

Abhandlungen

A. Dickinson:
Realignment of the Planets – Brexit and European Private International Law 213

At 11pm (GMT) on 31 December 2020, the United Kingdom moved out of its orbit of the European Union's legal system, with the end of the transition period in its Withdrawal Agreement and the conclusion of the new Trade and Cooperation Agreement. This article examines the impact of this realignment on private international law, for civil and commercial matters, within the legal systems of the UK, the EU and third countries with whom the UK and the EU had established relationships before their separation. It approaches that subject from three perspectives. First, in describing the rules that will now be applied by UK courts to situations connected to the remaining EU Member States. Secondly, by examining more briefly the significance for the EU and its Member States of the change in the UK's status from Member State to third country. Thirdly, by considering the impact on the UK's and the EU's relationships with third countries, with particular reference to the 2007 Lugano Convention and Hague Choice of Court Convention. The principal focus will be on questions of jurisdiction, the recognition and enforcement of judgments and choice of law for contract and tort.

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S. Zwirlein-Forschner:
Mautgebühren im IPR und IZVR – ein Grenzgang zwischen den europäischen Verordnungen 221

Die Bemautung öffentlicher Verkehrswege hat in Europa aus äquivalenz- und klimaschutzbezogenen Gründen eine Renaissance erlebt. Dabei sind die modernen Mautsysteme einiger Mitgliedstaaten so ausgestaltet, dass die Beitreibung nicht entrichteter Entgelte vor Zivilgerichten erfolgt. Wird eine solche Klage auf Zahlung einer ausländischen Maut vor einem deutschen Gericht erhoben, stellen sich komplexe Probleme des IPR und IZRV, welche in diesem Beitrag beleuchtet werden.

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T. Pfeiffer:
Adoptionsfolgen und Erbrecht in deutsch-amerikanischen Fällen am Beispiel Texas 229

Der Beitrag befasst sich mit dem Zusammenwirken des Adoptions- und Erbstatuts in deutsch-amerikanischen Erbfällen in Bezug auf Adoptionen aus der Zeit des früher in Deutschland geltenden Systems der Vertragsadoption. Dabei werden verschiedene Aspekte derartiger Fälle anhand des als Beispiels herangezogenen texanischen Rechts neu beleuchtet. Das umfasst eine direkte Zurückverweisung auf das Recht des Adoptionsstaates für Vertragsadoptionen, das Bestehen einer auf den bloßen Status des Adoptiertseins beschränkten Teilrückverweisung auf deutsches Recht (ohne Adoptionsfolgen) und die Unanwendbarkeit der etwa im Recht von Texas vorgesehenen Erbberechtigung des adoptierten Kindes nach seinen leiblichen Eltern.

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Entscheidungsrezensionen

W. Voß:
Zwischen vertraglicher Qualifikation und vertragsakzessorischer Anknüpfung: Gesetzliche Direktansprüche und culpa in contrahendo im europäischen IZPR (EuGH, S. 265 und S. 268) 236

FAO

Rechtsfiguren im Grenzbereich von Vertrag und Delikt wie die culpa in contrahendo oder Direktansprüche aus Vertragsketten entziehen sich schon im materiellen Haftungssystem der einzelnen Rechtsordnungen typischerweise einer eindeutigen, uniformen Zuordnung. Erst recht gibt ihre internationalzivilprozessuale Qualifikation nach autonomem europäischem Recht Anlass zu anhaltenden Debatten. In den beiden besprochenen Vorabentscheidungen hatte der EuGH nun Gelegenheit, die Demarkationslinie zwischen vertraglichen und außervertraglichen Streitigkeiten im Zuständigkeitssystem der EuGVVO zu schärfen und so den sachlichen Anwendungsbereich der Gerichtsstände des Erfüllungsorts und der Verbrauchersachen näher abzustecken. Anstatt aber den autonomen prozessualen Vertragsbegriff zu konsolidieren und damit vorhersehbare Gerichtszuständigkeiten zu gewährleisten, alterniert das vom Gerichtshof geschaffene Vertragskonzept einzelfallorientiert zwischen restriktiven Tendenzen und expansiver Handhabung.

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C. Thomale:
Internationale Zuständigkeit für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen: Der Wohnungseigentumsvertrag (EuGH, S. 273) 245

Zur Besprechung gelangt eine Vorlageentscheidung des EuGH, die im Kern die Reichweite des Liegenschaftengerichtsstands nach Art. 24 Nr. 1 EuGVVO bei Wohnungseigentumsverträgen betrifft. Neben einer Darstellung der Entscheidungsgründe und ihrer Anwendung auf den streitgegenständlichen österreichischen Sachverhalt geht die Anmerkung auf Begründungsschwächen der Entscheidung ein und entwickelt einen eigenen Ansatz zum teleologischen Grundverständnis der Norm.

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F. Rieländer:
Widersprüchliche Vaterschaftszuweisungen im Internationalen Abstammungsrecht: Vaterschaftsvermutung kraft nachwirkender Ehe vs. pränatale Vaterschaftsanerkennung (KG, S. 276) 249

Mit Beschluss vom 5.5.2020 hat das KG zu einer der umstrittensten Fragen des Internationalen Abstammungsrechts unter entschiedener Abgrenzung von der Judikatur des OLG Düsseldorf und des OLG Hamm Stellung bezogen. Konkurriert eine unter dem Personalstatut des geschiedenen Ehegatten der Kindesmutter begründete gesetzliche Vaterschaftszuweisung kraft Ehe mit einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung nach dem deutschen Aufenthaltsstatut des Kindes, soll sich die Regelanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB durchsetzen. Angesichts der Ambivalenz des Beschlusses des BGH vom 19.7.2017 zur Konkurrenz zwischen Vaterschaft kraft Ehe und nachgeburtlicher Anerkennung bleibt zwar abzuwarten, ob sich der BGH, sollte er über die Konstellation einer Konkurrenz zwischen gesetzlicher Vaterschaftszuweisung kraft Ehe und vorgeburtlicher Anerkennung zukünftig zu entscheiden haben, der Entscheidung des KG anschließen wird. Zumindest im Ergebnis ist die Entscheidung des KG freilich wegen des im konkreten Fall vorliegenden, als „Anfechtung" i.S.v. Art. 20 S. 2 EGBGB zu qualifizierenden scheidungsakzessorischen Statuswechsels mit der umstrittenen höchstrichterlichen Rechtsprechung vereinbar. Mit stichhaltiger Argumentation hat das KG in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer Aussetzung des in Bezug auf die abstammungsrechtliche Zuordnung belanglosen Verfahrens über die Beurkundung der Geburt im Personenstandsregister einschließlich des hierauf gerichteten Beschwerdeverfahrens in entsprechender Anwendung des § 1597a Abs. 2 BGB verworfen; ein etwaig bestehender Missbrauchsverdacht hinsichtlich der bereits formwirksam zustande gekommenen qualifizierten Vaterschaftsanerkennung gem. § 1599 Abs. 2 BGB ist unschädlich. Alles in allem macht die Entscheidung einmal mehr die Reformbedürftigkeit des deutschen Abstammungskollisionsrechts sichtbar. Zu hoffen bleibt, dass der deutsche Gesetzgeber den nötigen Reformwillen zeigt und nicht nur das materielle Abstammungsrecht, sondern auch das Internationale Abstammungs- und Adoptionsrecht unter Auseinandersetzung mit dem 2019 vorgelegten Gesetzgebungsvorschlag des Deutschen Rates für IPR alsbald gründlich revidiert und optimiert.

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M. Makowsky:
Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses bei Zuweisung von Grundeigentum an einen Miterben (OLG München, S. 278) 257

Im Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) können gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. b, 68 lit. l EuErbVO einzelne Vermögenswerte angegeben werden, die einem Erben allein zugewiesen sind. Das OLG München will einem ENZ aber die Richtigkeitsvermutung versagen, wenn darin einem bloßen Miterben ein in Deutschland belegenes Grundstück zugewiesen ist, das maßgebliche österreichische Erbstatut aber Universalsukzession vorsehe und keine dingliche Teilungsanordnung kenne. Diese Auffassung überzeugt nicht, weil das österreichische Erbrecht durchaus eine Einzelrechtsnachfolge durch einen Miterben ermöglicht, nämlich dann, wenn die Miterben vor der Einantwortung ein entsprechendes Erbteilungsübereinkommen schließen und der Einantwortungsbeschluss auf diese Vereinbarung verweist. Die Richtigkeitsvermutung des ENZ ist also nicht etwa von vornherein aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Im konkreten Fall hatte das Grundbuchamt die Eintragung der Miterben in Erbengemeinschaft allerdings auf der Grundlage des zuerst vorgelegten Einantwortungsbeschlusses vorgenommen. Da hierin ein Hinweis auf ein vorheriges Erbteilungsübereinkommen fehlte, ist bewiesen, dass auch hinsichtlich des Grundstücks Universalsukzession eingetreten ist. Die Richtigkeitsvermutung des ENZ ist aus diesem Grunde widerlegt.

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R. Hüßtege:
Internetrecherche contra Sachverständigengutachten – Zur Ermittlung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte (BGH, S. 282) 261

Deutsche Gerichte haben von Amtswegen das anwendbare ausländische Recht zu ermitteln. Auf welche Erkenntnisquellen sie sich stützen, beruht auf ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Eine eigene Internetrecherche wird jedoch in den meisten Fällen nicht ausreichen, um den hohen Anforderungen, die die Ermessensausübung verlangt, gerecht zu werden. Denn meist fehlen dem Gericht die notwendigen Mindestkenntnisse der jeweiligen Rechtsordnung, um das ausländische Recht richtig anwenden zu können. Auch Rechtshilfeübereinkommen, mit deren Hilfe ausländische Rechtsvorschriften ermittelt werden können, sind zumeist wenig hilfreich, um eine fallorientierte Lösung herbeizuführen. In der Regel werden die Gerichte daher weiterhin Sachverständigengutachten eines in- oder ausländischen wissenschaftlichen Instituts einholen müssen, um die Rechtspraxis im Ausland genügend berücksichtigen zu können.

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Rezensierte Entscheidungen

10, 11 EuGH 26.3.2020, 2.4.2020 Rs. C-215/18, Rs. C-500/18 Zwischen vertraglicher Qualifikation und vertragsakzessorischer Anknüpfung: Gesetzliche Direktansprüche und culpa in contrahendo im europäischen IZPR [W. Voß, S. 236] 265,268
12 EuGH 11.11.2020 Rs. C-433/19 Internationale Zuständigkeit für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen: Der Wohnungseigentumsvertrag [C. Thomale, S. 245] 273
13 KG 5.5.2020 1 W 165/19 Widersprüchliche Vaterschaftszuweisungen im Internationalen Abstammungsrecht: Vaterschaftsvermutung kraft nachwirkender Ehe vs. pränatale Vaterschaftsanerkennung [F. Rieländer, S. 249] 276
14 OLG München 10.2.2020 34 Wx 357/17 Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses bei Zuweisung von Grundeigentum an einen Miterben [M. Makowsky, S. 257] 278
15 BGH 18.3.2020 IV ZR 62/19 Internetrecherche contra Sachverständigengutachten – Zur Ermittlung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte [R. Hüßtege, S. 261] 282
16 LG München I 19.12.2019 Az. 5HK O 15088/15 Erste Erfahrungen mit dem monegassischen Gesetz betreffend das internationale Privatrecht von 2017 [M. Wietzorek, S. 307] 285

Blick ins Ausland

A. R. Markus:
Grenzüberschreitende Verarrestierung von Bankkonten in der Schweiz und die EU-Kontenpfändungsverordnung 290

Am 18.01.2017 trat die Verordnung über die vorläufige Kontenpfändung der Europäischen Union in Kraft. Sie ermöglicht dem Gläubiger die Sicherung in ein Bankkonto, damit aus einem bestehenden oder noch zu errichtenden Titel vollstreckt werden kann. Die Regelung tritt neben die nationalen Bestimmungen über Sicherungsmaßnahmen wie z.B. den Arrest, die den gleichen Zweck verfolgen. Da die Schweiz als EU-Nichtmitgliedstaat nicht an der Kontenpfändungsrichtlinie teilnimmt, beurteilt sich die Sicherung in Bankkonten ausschließlich nach ihrem nationalen Recht des Arrests.
Im vorliegenden Aufsatz wird das Verfahren des Arrests nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs detailliert dargestellt. Dabei wird vergleichend auf die Regelungen der europäischen Kontenpfändungsverordnung Bezug genommen. Schließlich wird auf die im grenzüberschreitenden Bereich oft entscheidende Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Sicherungsmaßnahmen eingegangen. Der Aufsatz zeigt auf, dass zwischen den Instrumenten des schweizerischen Rechts und denjenigen des Unionsrechts erhebliche Unterschiede bestehen.

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J. Ungerer:
Englischer ordre public gegen ausländische Verjährungsvorschriften – Undue hardship und dépeçage als Probleme im Foreign Limitation Periods Act – illustriert am Fall Roberts zur deutschen dreijährigen Verjährung 298

Ein signifikanter Unterschied des britischen autonomen Kollisionsrechtsregimes zu den europäischen Rom I- und Rom II-Verordnungen besteht darin, dass es im Foreign Limitation Periods Act 1984 (FLPA) einen besonderen ordre public-Vorbehalt gegen ausländische Verjährungsvorschriften vorsieht. Ausgestaltung und Anwendung dieser speziellen ordre public-Regelung, die nach der Brexit-Übergangszeit besonders an Bedeutung gewinnen könnte, werden im Beitrag kritisch untersucht: Einerseits ist die Voraussetzung für den ordre public-Einwand vor englischen Gerichten tatbestandsseitig niedriger, weil das Vorliegen einer unbilligen Härte bereits genügt. Andererseits führt der Einwand rechtsfolgenseitig zur Anwendbarkeit des englischen Verjährungsrechts und mithin zu einer dépeçage. Die einschlägige Rechtsprechung wird sowohl abstrakt aufgearbeitet als auch empirisch analysiert; ausführlich betrachtet wird das jüngste Beispiel Roberts v Soldiers [2020] EWHC 994, in dem die dreijährige Verjährungsfrist des anwendbaren deutschen Rechts als Ursache für unbillige Härte bejaht wurde.

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E. Jayme:
Zwangsverkäufe jüdischer Kunsthändler in Frankreich – Zur Restitution von Gemälden des Künstlers André Derain aus französischen Museen an die Erben des Kunsthändlers René Gimpel – Cour d’appel de Paris, 30.9.2020 305

Zwangsverkäufe und Enteignungen von Kunstwerken im Besitz jüdischer Kunsthändler in der Nazi-Zeit bilden eine eigenständige Fallgruppe im Rahmen der heutigen Restitutionsverfahren. Das hängt damit zusammen, dass es sich bei der Handelsware meist um Objekte handelte, bei denen ein affektives Interesse des Kunsthändlers fehlte, weshalb eher eine wirtschaftliche Wiedergutmachung naheliegt. In den jeweils betroffenen Ländern haben sich allerdings – auch im Rahmen der Anwendung der Washington Principles – verschiedene Lösungen herausgebildet. Die Entscheidung der Cour d'appel de Paris vom 30.9.2020 verdient insoweit ein besonderes Interesse, als sie die Herausgabe von drei Gemälden des französischen Malers André Derain aus französischen Museen an die Erben des französischen Kunsthändlers René Gimpel anordnete, der in der Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs enteignet und später nach Deutschland deportiert wurde, wo er im Konzentrationslager Neuengamme verstarb. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die „Ordonnance n. 45-770" vom 21.4.1945, welche der Londoner Alliierten Erklärung vom 5.1.1943 folgt und die Restitution derjenigen Gegenstände anordnet, welche den Betroffenen durch Wegnahmen und Zwangsverkäufe („spoliations et ventes forcées") entzogen wurden. Die Entscheidung überzeugt auch im Ergebnis, da die ursprünglich aus der Sammlung von Daniel-Henry Kahnweiler stammenden Bilder von André Derain Spitzenwerke des französischen Kubismus darstellten, die dem Kunsthandel von René Gimpel einen besonderen Glanz verliehen.

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M. Wietzorek:
Erste Erfahrungen mit dem monegassischen Gesetz betreffend das internationale Privatrecht von 2017 (LG München I, S. 285) 307

Dieser Aufsatz stellt das monegassische Gesetz betreffend das internationale Privatrecht von 2017 einschließlich einer Auswahl von bereits hierzu ergangenen einschlägigen Gerichtsentscheidungen der monegassischen Gerichte vor. Gefolgt von einer Anmerkung zur Anwendung des monegassischen Rechts in einer Entscheidung des Landgerichts München I aus dem Dezember 2019 endet er mit einer kurzen Zusammenfassung.

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Mitteilungen

Kohler:
Allgemeine Grundsätze des Europäischen Kollisionsrechts 316

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Gernert:
Neue Richtlinien des russischen Supreme Court zum internationalen Privatrecht 319

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