Heft 5/2025 (September 2025)

Art. 5 Nr. 3, Art. 6 Nr. 1, Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 EuGVVO 2001 und deliktische Nutzungsentschädigungsklagen

EuGH 10.7.2025 – C-99/24 – G.M.K.‑Z.B.M. ./. S.O.

  1. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass für die Zwecke der Bestimmung der zeitlichen Anwendbarkeit dieser Verordnung ein gerichtliches Verfahren im Sinne dieser Bestimmung als zu dem Zeitpunkt eingeleitet anzusehen ist, zu dem der Kläger seine Klage in einer Rechtssache erhoben hat, die anschließend Gegenstand einer Entscheidung war, und nicht als zu dem Zeitpunkt eingeleitet, zu dem der Beklagte später gegen diese Entscheidung einen auf erneute Prüfung dieser Sache gerichteten Einspruch eingelegt hat.
  2. Art. 5 Nr. 3, Art. 6 Nr. 1 und Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 EuGVVO 2001 sind dahin auszulegen, dass
  • eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung für die außervertragliche Nutzung einer unbeweglichen Sache nach der Kündigung eines Mietvertrags über diese in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Wohnsitzes des betreffenden Beklagten belegene Immobilie keine Klage ist, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand [hat]“, und nicht unter den Begriff „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 fällt;
  • eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung für die außervertragliche Nutzung einer unbeweglichen Sache unter den Begriff „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 fällt;
  • 6 Nr. 1 nur dann anwendbar ist, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung einer Klage, mit der ein Kläger vor einem Gericht eines Mitgliedstaats mehrere Beklagte verklagt hat, dieselbe Sach- und Rechtslage vorgelegen hat, die dazu geführt hat, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über alle gegen diese Beklagten erhobenen Klagen geboten war, um zu vermeiden, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.

 

Art. 8 lit. a) und b) Rom III-VO und Diplomatenaufenthalt

EuGH 20.3.2025 – C-61/24 – Lindenbaumer

Art. 8 lit. a) und b) Rom III-VO ist dahin auszulegen, dass der Diplomatenstatus eines der Ehegatten und seine dienstliche Verwendung auf einer Stelle im Empfangsstaat grundsätzlich der Annahme entgegenstehen, dass der „gewöhnliche Aufenthalt“ der Ehegatten als in diesem Staat befindlich angesehen wird, es sei denn, nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen insbesondere die Dauer der physischen Präsenz der Ehegatten sowie ihre soziale und familiäre Integration in diesem Staat gehören, wird zum einen der Wille der Ehegatten, den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Interessen in diesem Staat zu begründen, und zum anderen eine Präsenz in diesem Staat festgestellt, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit aufweist.

 

Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) EuErbVO: unbegründete Einwände als Ausstellungshindernis

EuGH 23.1.2025 – C-187/23 – Albausy

Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) EuErbVO ist dahingehend auszulegen, dass im Ausstellungsverfahren erhobene Einwände der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses selbst dann entgegenstehen, wenn sie unbegründet oder unsubstantiiert erscheinen. Eine Ausnahme gilt nur für Einwände, die in einem anderen Verfahren rechtskräftig zurückgewiesen worden sind.

 

Art. 6 Abs. 2 lit. a) EVÜ: Indirekte Rechtswahl durch Parteiabrede zum Arbeitsort?

Schlussanträge des Generalanwalts Rimvydas Norkus beim EuGH 3.7.2025 – C-485/24

Art. 6 Abs. 2 lit. a) EVÜ ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass zum einen ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber zunächst die gleichen Tätigkeiten in mehreren Vertragsstaaten und sodann seine Tätigkeiten in dem Zeitraum vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dauerhaft in einem einzigen Staat ausgeübt hat, der nach dem klaren Willen der Parteien zu einem neuen gewöhnlichen Arbeitsort werden sollte, und zum anderen die Anfechtung des Arbeitnehmers die Beendigung des Vertrags betrifft, bei der Bestimmung des Orts, an dem dieser Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, und folglich des mangels einer Rechtswahl der Parteien anzuwendenden Rechts auf den letzten Beschäftigungsabschnitt abzustellen ist.

 

Art. 45, 46, 53 EuGVVO: Anwendungseröffnung aufgrund Bescheinigung?

Vorabentscheidungsersuchen des BGH 29.7.2025 – C-512/25

Sind Art. 45, 46 und Art. 53 EuGVVO dahin auszulegen, dass bei der Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung die zur Vollstreckung zuständige Stelle des ersuchten Mitgliedstaats ohne eigenständige Prüfung bereits aufgrund der von dem Ursprungsgericht nach Art. 53 EuGVVO erteilten Bescheinigung davon ausgehen muss, dass die Entscheidung in den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 1 EuGVVO fällt?

 

Art. 6 Abs. 4 lit. d) Rom I-VO und Preisbildung bei Differenzgeschäften

Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud (Tschechische Republik) 22.5.2025 – C-346/25

Ist Art. 6 Abs. 4 lit. d) Rom I-VO dahin auszulegen, dass zu den Rechten und Pflichten, die Finanzinstrumente darstellen, auch die Rechte und Pflichten gehören, die sich auf den Prozess der Preisbildung bei Differenzgeschäften (contracts for differences) bzw. auf den Prozess der Feststellung der Differenz zwischen den Preisen der Basiswerte beziehen, für die das Differenzgeschäft abgeschlossen wird?

 

Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO: Inverkehrbringen durch wen?

Vorabentscheidungsersuchen des BGH 21.5.2025 – C-344/25

  1. Ist der Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO dahingehend zu verstehen, dass ein Produkt auch dann in dem Staat in Verkehr gebracht wird, in dem der Endabnehmer es von einem Händler erwirbt, wenn der Hersteller, der in einem anderen Staat seinen Sitz hat, das Produkt zuvor an seinem Sitz an einen Spediteur übergeben hat, der das Produkt unmittelbar an den Sitz des Endabnehmers geliefert hat, oder erfolgt das Inverkehrbringen dann auch im Verhältnis zum Endabnehmer in dem Staat, in dem der Hersteller seinen Sitz hat?
  2. Ist der Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO dahingehend auszulegen, dass ein Inverkehrbringen nicht nur durch den Hersteller selbst, sondern auch durch einen Dritten, wie etwa einen Händler, der es vom Hersteller erworben hat, erfolgen kann?
  3. Falls die Frage Ziffer 2 zu bejahen ist: Steht es einem „Inverkehrbringen“ des konkret schadhaften/schädigenden Produktes im Staat des Endkunden in diesem Fall entgegen, wenn der Endkunde vom Händler das Produkt als Komponente einer umfangreicheren technischen Gesamtanlage, die der Händler beim Erwerber installiert, erwirbt oder least?
  4. Welches nationale Recht ist anzuwenden, wenn keine der Anknüpfungsvarianten des Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO greift?
  5. Ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Produkt in einem bestimmten Staat im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO in Verkehr gebracht worden ist, auf das konkrete schadhafte/schädigende Produkt abzustellen, oder ist es ausreichend, wenn jedenfalls ein identisches Produkt oder ein gleichartiges Produkt in dem bestimmten Staat in Verkehr gebracht worden ist?

 

Art. 4 EuErbVO: Zuständigkeitskonkurrenz und Erbausschlagung

Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgericht Hagen 30.4.2025 – C-310/25

  1. Kann eine Erbin aus einem Mitgliedstaat für den Fall, dass zwei Gerichte in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten, welche nicht mit dem gewöhnlichen Aufenthalt der Erbin übereinstimmen, jeweils ihre Zuständigkeit für die Rechtsnachfolge von Todes nach Art. 4 EuErbVO bejahen, an einem dieser Gerichte eine wirksame Ausschlagungserklärung nach den dort geltenden Formerfordernissen abgeben?
  2. Für den Fall, dass die Frage zu 1.) zu bejahen ist: Ersetzt eine solche Ausschlagungserklärung an einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats gegenüber einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats, das sich ebenfalls für die Rechtsnachfolge von Todes nach Art. 4 EuErbVO zuständig hält, die an diesem Gericht abzugebende Ausschlagungserklärung in der Weise, dass sie als zum Zeitpunkt der Erklärungsabgabe als wirksam abgegeben gilt?

War es der Beklagten möglich gegenüber dem Gericht in Limburg als Geschäftsstelle des Gerichts in Roermond mit Erklärungen (Ausschlagung) vom 19.12.2023 bzw. vom 24.2.2025 die Erbschaft wirksam auszuschlagen?

  1. Für den Fall, dass die Fragen zu 1.) und 2.) zu bejahen sind: Kommt es bei der Wirksamkeit darauf an. ob die Erbin in dem ersten ihr bekannt gewordenen Verfahren des Gerichts eines Mitgliedstaats die nach den dort geltenden Formerfordernissen entsprechende Ausschlagungserklärung abgibt oder kann sie nach Belieben entscheiden, in welchem Verfahren sie die Ausschlagung erklärt?

 

Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 lit. a) EuGüVO und Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft

Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud (Tschechische Republik) 24.4.2025 – C-300/25

Handelt es sich bei einem Verfahren zur Auflösung und Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft an einer unbeweglichen Sache, die die Ehegatten aufgrund des vereinbarten Güterstands der Gütertrennung in Miteigentum nach Bruchteilen erworben haben, um ein Verfahren betreffend den ehelichen Güterstand im Sinne von Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 lit. a) EuGüVO?

 

Art. 6 Abs. 1 EuInsVO 2017: Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren als konkludenter Verzicht der EU-Staaten auf Staatenimmunität für Klagen?

Vorabentscheidungsersuchen des BGH 11.4.2025 – C-41/25

Ist Art. 6 Abs. 1 EuInsVO 2017 dahin gehend auszulegen, dass er in Ansehung der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren einen konkludenten Verzicht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Grundsatz der Staatenimmunität für Klagen enthält, mit denen der Insolvenzverwalter nach Maßgabe des anwendbaren Insolvenzrechts geltend macht, Rechtshandlungen gegenüber einem Mitgliedstaat seien anfechtbar, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen?

 

Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i), Art. 13 EuInsVO 2002, Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO: Eingriffsnormen, Durchsetzung des Nachrangs und Qualifikation des Gesellschafterdarlehens

Vorabentscheidungsersuchen des BGH 11.4.2025 – C-43/25

  1. Ist Art. 13 EuInsVO 2002 dahingehend auszulegen, dass sich die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigte Person gegenüber einem Rückforderungsverlangen des Insolvenzverwalters auch dann auf die Wirkungen dieser Bestimmung berufen kann, wenn das Rückforderungsverlangen dazu dient, den nach dem anwendbaren Recht des Staates der Verfahrenseröffnung geltenden Nachrang (Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i) EuInsVO 2002) durchzusetzen?
  2. Sofern Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 13 EuInsVO 2002 dahingehend auszulegen, dass die Bestimmung auch gegenüber Anfechtungstatbeständen gilt, welche dazu dienen, die von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen im Vorfeld der Insolvenz zur Sicherung der Kapitalausstattung der Gesellschaft dem haftenden Eigenkapital weitgehend gleichzustellen?
  3. Sofern Frage 2 bejaht wird: Ist Art. 13 EuInsVO 2002 dahingehend auszulegen, dass sich das auf ein von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft der Gesellschaft gewährte Darlehen anwendbare Recht nach dem Gesellschaftsstatut richtet?
  4. Sofern Frage 3 verneint wird: Ist Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO für das nach Art. 13 lit. a) EuInsVO 2002 zu bestimmende maßgebliche Recht anwendbar und dahingehend auszulegen, dass Eingriffsnormen auch in vertragsrechtlichen Regelungen in nationalen Insolvenzvorschriften – wie solchen über den Nachrang von Gesellschafterdarlehen und die Rechtsfolgen des Nachrangs – enthalten sein können?

 

KSÜ und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG

BVerfG 9.4.2025 – 1 BvR 1618/24

  1. Nehmen fachgerichtliche Entscheidungen in der Anwendung völkerrechtlicher Vereinbarungen einem Elternteil die Möglichkeit, über den Aufenthaltsort des betroffenen Kindes zu bestimmen, ist das Elterngrundrecht gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG berührt. Dies ist regelmäßig dann verletzt, wenn die Entscheidung, nach Auslegung und Anwendung des KSÜ, mit dem Wohl des Kindes nicht zu vereinen ist.
  2. Verfahren in Kindschaftssachen müssen von den Gerichten so gestaltet werden, dass diese möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können. Das gilt auch hinsichtlich der Auslegung und Handhabung völkerrechtlicher Verträge.
  3. Auch wenn das Unterbleiben einer Kindesanhörung bezüglich der für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 lit. b) KSÜ maßgeblichen Umstände fachrechtlich nicht ohne Bedenken sein mag, besteht darin jedoch kein Verkennen der Bedeutung des Elterngrundrechts.

(Leitsätze von Leonard Faust, Köln)

 

Gewöhnlicher Aufenthalt von Ehegatten und diplomatischer Dienst

BGH 25.6.2025 – XII ZB 117/23

Grundsätzlich verhindert der Diplomatenstatus eines der Ehegatten, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten im Empfangsstaat der diplomatischen Dienste begründet wird. Davon abweichend kann ein gewöhnlicher Aufenthalt im Empfangsstaat begründet werden, wenn bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt wird, dass die Ehegatten den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Interessen im Empfangsstaat begründen wollen und ihre Präsenz in diesem Staat einen hinreichenden Grad an Beständigkeit zeigt.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO: Erfüllungsort bei Handelsvertretervertrag

BGH 2.4.2025 – VII ZR 248/23

Der Erfüllungsort i.S.d. Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO bestimmt sich bei einem Handelsvertretervertrag im Grundsatz nach dem Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter. Dieser Ort ist regelmäßig aus den Bestimmungen des Vertrags abzuleiten.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Post-Achmea: Analoge Anwendung des ordre public-Vorbehalts des Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ

BGH 27.3.2025 – I ZB 64/24

  1. Für eine analoge Anwendung des ordre public-Vorbehalts des Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ auf die Anerkennung einer Schiedsvereinbarung im Sinn des Art. II UNÜ im Vollstreckbarerklärungsverfahren bei der Prüfung, ob dem Schiedsspruch wegen der Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung die Anerkennung nach Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ zu versagen ist, fehlt es an einer Regelungslücke.
  2. Eine auf der Unionsrechtswidrigkeit der Streitbeilegungsklausel (vgl. EuGH, 6.3.2018 – C-284/16 – Achmea; EuGH, 2.9.2021 – C-741/19 – Komstroy) beruhende Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung im Sinn des Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ steht nicht nur der Vollstreckbarerklärung eines (klageabweisenden) Schiedsspruchs in der Sache entgegen, sondern ebenso der Vollstreckbarerklärung (nur) einer auf der Entscheidung in der Sache beruhenden Kostenentscheidung des Schiedsgerichts.
  3. Mögliche einem Schiedsgericht von Natur aus innewohnende Kompetenzen (“inherent powersˮ) existieren nicht abstrakt oder losgelöst von einer wirksamen Schiedsvereinbarung, sondern ergänzen diese lediglich. Nur und erst auf der Grundlage einer wirksamen Schiedsvereinbarung, mit der die Parteien eine Streitigkeit der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte entziehen und der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterstellen, stellt sich die Frage, ob und welche (immanenten) Kompetenzen das Schiedsgericht hat, die über das hinausgehen, was die Parteien explizit in der Schiedsvereinbarung vorgesehen haben oder was sich aus der vereinbarten Schiedsverfahrensordnung und dem anwendbaren Recht ergibt.
  4. Dem Investor als Schiedskläger ist es nicht verwehrt, sich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs in einem Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel wegen Unionsrechtswidrigkeit zu berufen. Die Anerkennung eines solchen auf Treu und Glauben gestützten Einwands wäre mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur effektiven Anwendung des Unionsrechts unvereinbar, weil sich dann die unionsrechtswidrige Zuweisung von Streitigkeiten an ein Schiedsgericht in der streitgegenständlichen Schiedsklausel teilweise als faktisch wirksam erwiese.

 

Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b) EuErbVO

BGH 19.3.2025 – IV ZB 19/24

Die Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b) EuErbVO setzt voraus, dass diese einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung oder auf Anerkennung einer Entscheidung in einem Verfahren nach Art. 39 Abs. 2, Art. 45 ff. EuErbVO dient und in jenem Verfahren vorgelegt werden soll.

 

Art. 18 Rom II-VO / Art. 15 Rom I-VO: Direktanspruch und § 86 Abs. 1 S. 1 VVG / § 115 Abs. 1 S. 1 VVG

BGH 20.2.2025 – I ZR 39/24

  1. Art. 18 Rom II-VO lässt eine Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer des Haftenden zu, falls sie entweder nach dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht vorgesehen ist. Die Anwendbarkeit der Regelung setzt voraus, dass der Geschädigte gegen den Haftenden einen Anspruch aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis hat. Art. 18 Rom II-VO ist nicht anwendbar, wenn dem Geschädigten aufgrund eines mit dem Haftenden geschlossenen Vertrags über die Beförderung von Gütern ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  2. Ist nach Art. 15 Rom I-VO für das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und seinem Versicherer deutsches Recht maßgeblich, geht nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG nicht nur der frachtvertragliche Anspruch des Geschädigten, sondern auch dessen etwaiger Direktanspruch gegen den Versicherer des Haftenden auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt hat.
  3. Da die Haftpflichtversicherung gemäß § 7a Abs. 1 GüKG, mit der die gesetzliche Haftung während der Beförderung wegen Güter- und Verspätungsschäden bei Be- und Entladeort im Inland versichert wird, eine Pflichtversicherung ist, untersteht der Versicherungsvertrag nach Art. 7 Abs. 4 lit. b) Rom I-VO, Art. 46d Abs. 2 EGBGB insoweit dem deutschen Recht, auch wenn sowohl der Haftende als auch seine Versicherung ihren Sitz nicht im Inland haben.
  4. Ist auf das Verhältnis zwischen dem Haftenden und seinem Versicherer deutsches Recht anzuwenden, kann der Geschädigte gegen den Versicherer des Haftenden keinen Direktanspruch geltend machen, wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG nicht vorliegen. Dass das am Sitz des Haftenden und seinem Versicherer geltende Recht einen solchen Direktanspruch vorsieht, ist unerheblich.

 

Insolvenzverfahren: Vermutung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen

BGH 6.2.2025 – IX ZB 35/22

Im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird bei einer natürlichen Person, die eine selbstständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Person am Ort der Hauptniederlassung dieser Person befindet, auch wenn für diese Tätigkeit kein Personal oder keine Vermögenswerte erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 19.9.2024 – C-501/23, ZIP 2024, 2355).

 

Deutsche Gerichtsbarkeit und hoheitliche Kündigungsgründe ausländischen Staates

BAG 3.4.2025 – 2 AZR 72/24

Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung wird durch das Berufen eines ausländischen Staates auf „Gründe aus dem hoheitlichen Bereich“ nicht insgesamt der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen, sondern nur insoweit, wie eine Beurteilung hoheitlichen Handelns erfolgen müsste.

 

Art. 29, Art. 52 EuGVVO, Art. 8 Rom II-VO: Extraterritoriale Geltung ausländischen öffentlichen Kulturgüterrechts?

OLG Stuttgart 11.6.2025 – 4 U 136/24

  1. Zur Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage in der Hauptsache nach einer Entscheidung eines italienischen Gerichtes in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, Art. 29 EuGVVO, Art. 52 EuGVVO.
  2. Zur Geltung des italienischen Codice dei beni cultural i e del paesaggio („Gesetz zum Schutz des kulturellen Erbes“) außerhalb Italiens, Art. 8 Rom II-VO.

 

IPR und IZPR bei Verkehrsunfall in der Schweiz

OLG Saarbrücken 5.6.2025 – 3 U 65/24

  1. Zur Haftung nach schweizerischem Straßenverkehrsrecht bei Unaufklärbarkeit des Unfalls.
  2. Zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen aus Verkehrsunfällen in der Schweiz ist das LugÜ 2007 heranzuziehen. Dabei ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 lit. b) und Art. 11 Abs. 2 LugÜ 2007, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls einen ihm aus dem anwendbaren Recht zustehenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer mit Sitz in einem ausländischen Staat am Gericht seines Wohnsitzes geltend machen kann.
  3. Auf einen Verkehrsunfall, der sich in der Schweiz zugetragen hat, ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO schweizerisches Recht als das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, anwendbar.

(Leitsätze 2 und 3 v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Diesel-Abgasfälle und spanisches Delikts- und Schadensrecht

OLG Braunschweig 26.5.2025 – 2 U 10/24

  1. Auch im Falle von sogenannten Massen- oder Streuschäden ist im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die eine offensichtlich engere Verbindung des Sachverhalts zu einer bestimmten Rechtsordnung begründen.
  2. Als Teil der lex fori können gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auch die nach spanischem Sachrecht erforderlichen Feststellungen zum Eintritt eines Schadens und zu dessen Höhe getroffen werden. Art. 15 lit. c), 22 Abs. 1 Rom II-VO stehen dem nicht entgegen.

 

EuErbVO: Nachlassspaltung nach englischem Recht

OLG Düsseldorf 26.5.2025 – 3 W 86/25

  1. Das Nachlassgericht kann vom Antragsteller eines Erbscheins nicht den Negativbeweis fordern, dass kein unbewegliches Vermögen zum Nachlass gehört, wenn nicht ersichtlich ist, an welchem Ort der Erblasser über welches unbewegliche Vermögen (Grundeigentum, Wohnungseigentum, Grundpfandrechte) verfügt haben könnte.
  2. Zum beweglichen – und nicht zum unbeweglichen – Vermögen zählt die Beteiligung des Erblassers an einer ungeteilten Erbengemeinschaft.
  3. Bestimmt sich die Erbfolge in Anwendung von Art. 36 Abs. 2 lit. a) EuErbVO nach den Regelungen des englischen Rechts, so gilt: Der bewegliche Nachlass wird nach dem Recht des tatsächlichen Lebensmittelpunkts (“domicileˮ) des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, der unbewegliche Nachlass nach dem Recht des jeweiligen Lageortes vererbt.
  4. Nach englischem Recht wird nicht der gesetzliche (oder testamentarisch bestimmte) Erbe, sondern der gerichtlich bestellte “administratorˮ (oder der vom Erblasser im Testament benannte “executorˮ) alleiniger Rechtsnachfolger des Erblassers. Er – und nicht der Erbe – ist zur Beantragung eines Erbscheins berechtigt.
  5. Dass der “administratorˮ den Nachlass als Treuhänder für den/die gesetzlichen Erben abzuwickeln hat, kann durch den Hinweis im Erbschein zum Ausdruck gebracht werden, dass der Erblasser nach englischem Recht beerbt worden und sein Nachlass auf den “administratorˮ übergegangen ist, der den Nachlass als Treuhänder zugunsten des/der gesetzlichen Erben zu verwalten hat.

 

EU-Sanktionen als Teil des deutschen ordre public bei der Schiedsspruchanerkennung

OLG Stuttgart 13.5.2025 – 1 Sch 3/24

Ein ausländischer Schiedsspruch, der ein inländisches Unternehmen zu einer Leistung verpflichtet, die aufgrund von durch die EU beschlossene Sanktionen in Deutschland verboten ist, kann wegen Verstoßes gegen den ordre public i.S.v. Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ nicht anerkannt werden.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 58, 71, 85 f. CISG: Kein vertragsübergreifendes Zurückbehaltungsrecht

OLG Brandenburg 30.4.2025 – 4 U 67/24

  1. In Art. 58, 71 CISG sowie Art. 85, 86 CISG ist das „Zug-um-Zug“-Prinzip sowie das Zurückbehaltungsrecht angelegt. Davon ist jedoch nur ein Zurückbehaltungsrecht innerhalb des entsprechenden Vertrages erfasst, nicht aber ein vertragsübergreifendes Zurückbehaltungsrecht, welches auch greift, wenn Pflichten aus anderen Vertragsverhältnissen zwischen den betroffenen Parteien ausstehen.
  2. Zur Bestimmung der Zinshöhe trifft das CISG keine Regelung. Daher ist im Zweifel der Zinssatz anzuwenden, der am Sitz des Verkäufers gesetzlich bestimmt ist.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Kenianische Namenspraxis und deutsches Personenstandsregister

KG 29.4.2025 – 1 W 13/14

Nach verbreiteter Namenspraxis der Republik Kenia führt eine Person drei Namen, die untereinander keine gleichwertige Bedeutung haben, denen vielmehr unterschiedliche Funktionen zukommen, die denen von Vor- und Familien- bzw. Geburtsnamen vergleichbar sind. Sie sind entsprechend in deutschen Personenstandsregistern zu beurkunden. Eine Beurkundung als sog. „Namenskette“ scheidet aus.

 

Nach Brexit ist UK Drittstaat i.S.d. EuGVVO

OLG Köln 27.3.2025 – 18 U 27/24

Die Sonderreglung in Art. 67 Abs. 1 lit. a) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft ändert nichts daran, dass auch auf das Vereinigte Königsreich als ehemaligen Mitgliedsstaat die Regelungen der EuGVVO wie bei „originären“ Drittstaaten über Art. 6 Abs. 1 EuGVVO (weiterhin) Anwendung finden.

(Leitsatz v. Anna Bobzin, Köln)

 

Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a), 72 EuErbVO: Einwände gegen ein Europäisches Nachlasszeugnis

OLG Köln 26.3.2025 – 2 W 134/24

  1. „Anhängige“ Einwände gegen die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses dürfen nach Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a) EuErbVO im Ausstellungsverfahren vom AG nicht geprüft werden (Anschluss an EuGH, FGPrax 2025, 75).
  2. Dagegen kann das nach Art. 72 EuErbVO befasste Gericht und damit im Nachlassverfahren das Beschwerdegericht die Begründetheit von Einwänden prüfen, die der Ausstellung eines ENZ entgegenstehen.

 

Art. 71 Abs. 2, 73 Abs. 1 lit. a) EuErbVO: Berichtigung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

OLG Karlsruhe 25.3.2025 – 14 W 121/24

Wenn sich ein ausgestelltes Europäisches Nachlasszeugnis dürfen als unrichtig herausstellt, kann dieses gemäß Art. 71 Abs. 2 EuErbVO auf Verlangen einer Person mit berechtigtem Interesse oder von Amts wegen geändert oder widerrufen werden. Bis zu dieser Änderung können nach Art. 73 Abs. 1 lit. a) EuErbVO die Wirkungen des Zeugnisses auf Verlangen der Person mit berechtigtem Interesse durch die Ausstellungsbehörde ausgesetzt werden, um zu verhindern, dass ein potenziell unrichtigen Nachlasszeugnisses während der Schwebezeit verwendet wird.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Einwände gegen ein Europäisches Nachlasszeugnis

OLG Nürnberg 21.3.2025 – 15 Wx 1493/23

  1. Ein Europäisches Nachlasszeugnis darf nicht ausgestellt werden, wenn im Ausstellungsverfahren Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt erhoben werden (vgl. EuGH, 23.1.2025 – C-187/23, Albausy).
  2. Auch das Beschwerdegericht überprüft in solchen Fällen aufgrund des Gleichlaufs der Prüfungskompetenzen lediglich das Vorliegen der angegebenen Ablehnungsgründe und nicht die sachliche Begründetheit der erhobenen Einwände.

 

Europäisches Nachlasszeugnis und registerrechtlicher Nachweis der Rechtsnachfolge i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 5 HGB

OLG Bremen 18.3.2025 – 2 W 37/24

Das Registergericht ist zum Nachweis der Rechtsnachfolge im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 5 HGB nicht gehalten, die Gleichwertigkeit ausländischer Erbzeugnisse einer eigenen rechtlichen Prüfung zu unterziehen und zu diesem Zwecke zweifelhafte Rechtsfragen zu klären. Vielmehr kann der Antragsteller im Anwendungsbereich der EuErbVO auf das Europäische Nachlasszeugnis im Sinne des Art. 62 ff. EuErbVO verwiesen werden.

 

Art. 39, 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO: Nachweis durch Vollstreckbarkeitsbescheinigung und Vollstreckungsfrist

OLG Düsseldorf 18.3.2025 – 3 W 22/25

  1. Der Verweis in § 1115 Abs. 5 S. 1 ZPO auf die Bestimmungen der sofortigen Beschwerde hat zur Folge, dass der zweitinstanzlichen Entscheidung über den Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach Art. EuGVVO ein Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO vorgeschaltet ist.
  2. Das Vorliegen und der Umfang der von Art. 39 EuGVVO geforderten Vollstreckbarkeit der streitgegenständlichen Entscheidung bestimmt sich nach dem Recht des Urteilsmitgliedstaats.
  3. a) Maßgeblich ist dabei alleine die – durch Vollstreckbarkeitsbescheinigung nachzuweisende – Vollstreckbarkeit in formeller Hinsicht, nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung im Urteilsmitgliedstaat vollstreckt werden kann. Über letzteres entscheidet das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates.
  4. b) Allgemein gilt: Die Vollstreckbarkeitserklärung richtet sich nach dem Recht des Urteilsmitgliedstaats, das Vollstreckungsverfahren demgegenüber nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
  5. Bei dem Einwand, der titulierte Anspruch sei nach Ablauf der fünfjährigen Vollstreckungsfrist erloschen, handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand, der im Vollstreckungsverfahren nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats zu beurteilen ist und nicht unter Art. 39 EuGVVO fällt.
  6. a) Dementsprechend kann in einem solchen Fall aus einem rechtskräftigen spanischen Zahlungstitel, der in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar ist, wegen einer im Vollstreckungsmitgliedstaat Deutschland fehlenden vollstreckungsrechtlichen Ausschlussfrist länger vollstreckt werden als im Ursprungsmitgliedstaat Spanien.
  7. b) Die Vollstreckung des spanischen Titels trotz Versäumung der im spanischen Recht normierten fünfjährigen Vollstreckungsfrist begründet auch keinen Versagungsgrund nach Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO (Verstoß gegen den ordre public).

 

Art. 19 Abs. 1 EuEheVO 2003 und italienisches Delibationsverfahren

OLG Stuttgart 4.3.2025 – 17 WF 150/24

  1. Das italienische Delibationsverfahren ist als Teil eines Verfahrens auf Ungültigkeitserklärung einer Ehe i.S.d. Art. 19 Abs. 1 EuEheVO 2003 zu betrachten.
  2. Ein Scheidungsverfahren vor einem deutschen Gericht darf ausgesetzt werden, wenn vor einem später angerufenen ausländischen Gericht ein Verfahren auf Ungültigerklärung einer Ehe erfolgt.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Europäisches Nachlasszeugnis und unsubstantiierte Einwände

OLG Saarbrücken 29.1.2025 – 5 W 50/24

Ein Europäisches Nachlasszeugnis kann auch dann erteilt werden, wenn ein Beteiligter offenbar unsubstantiierte und unbegründete Einwände in Bezug auf den Kreis der Erben erhebt.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Keine révision au fond eines Schiedsspruchs

BayObLG 15.1.2025 – 102 Sch 250/23

  1. Ausländische Schiedssprüche können nicht nur vollständig für vollstreckbar erklärt werden, sondern es kann auch ein Teil eines Schiedsspruchs für vollstreckbar erklärt werden.
  2. Staatliche Gerichte dürfen die Beweiswürdigung bei Schiedsverfahren wegen des Verbots der révision au fond nicht überprüfen.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Einsetzung eines Sonderprüfers nach § 142 AktG und US-amerikanisches Finanzkonstrukt

OLG Celle 27.11.2024 – 9 W 86/17

Nach US-amerikanischem Recht besteht im Verfahren auf Einsetzung eines Sonderprüfers nach § 142 AktG die Beteiligtenfähigkeit einer Gestaltung nach US-amerikanischem Recht als Antragstellerin nur dann, wenn sie einen unmittelbaren Schaden geltend macht und dieser allein ihrem Vermögen zugutekommen würde.

(Leitsatz v. Anna Bobzin, Köln)

 

Art. 6 Abs. 1 EuInsVO 2017: Keine internationale Zuständigkeit bei Antragshäufung mit Insolvenzanfechtungsanspruch und Feststellungsklage / Brexit und Qualifikation des Gesellschafterdarlehens

LG Berlin II 18.2.2025 – 9 O 3/23

  1. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO 2017 begründet keine internationale Zuständigkeit für einen in Antragshäufung mit einem zulässigen Insolvenzanfechtungsanspruch erhobenen Antrag auf Feststellung, dass die Anfechtungsgegnerin auf Grundlage von Bestimmungen zur akzessorischen Gesellschafterhaftung für die Forderungen der Insolvenzgläubiger einzustehen habe. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren und steht auch nicht in engem Zusammenhang damit.
  2. Die örtliche und internationale Zuständigkeit für durch den Insolvenzverwalter in Prozessstandschaft für die Insolvenzgläubiger geltend gemachte Ansprüche aus Verträgen der Schuldnerin mit den übrigen Insolvenzgläubigern in Verbindung mit handels-/gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen kann nicht auf § 22 ZPO gestützt werden. Der Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO für solche Ansprüche ist nicht automatisch am Sitz des Insolvenzverwalters. Vielmehr wäre der Erfüllungsort im Einzelfall festzustellen.
  3. Macht die Anfechtungsgegnerin nach Art. 16 EuInsVO 2017, § 339 InsO bei einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren geltend, die nach deutschem Recht anfechtbaren Rechtshandlungen seien nach dem für diese Handlung maßgeblichen Recht eines anderen (Mitglieds-)Staates in keiner Weise angreifbar, so bestimmt sich das im Rahmen der Einrede anwendbare Recht bei Vertragserfüllungshandlungen, einschließlich Darlehensrückzahlungen, nach dem – im Rahmen der Vertragsfreiheit in der Regel frei wählbaren – Vertragsstatut. Dies gilt vom Grundsatz her auch für Gesellschafterdarlehen (Abgrenzung zu OLG Naumburg, 6.10.2010 – 5 U 73/10).
  4. Jedenfalls wenn die Schuldnerin eine vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“) nach englischem Recht gegründete Limited ist und mehrere Jahre vor der Insolvenz der Schuldnerin abgeschlossene Gesellschafterdarlehensverträge mit der Anfechtungsgegnerin, einer Gesellschafterin der Schuldnerin mit Sitz in einem Drittstaat, eine Rechtswahl zugunsten englischen Rechts vorsehen, kann eine missbräuchliche Rechtswahl nicht ohne Weiteres angenommen werden. In einem solchen Fall besteht auch für die Anwendung des – vom Vertragsstatut und Gesellschaftsstatut abweichenden – deutschen Insolvenzstatuts im Rahmen der Einrede nach Art. 16 EuInsVO 2017 weder Anlass noch rechtliche Grundlage (Differenzierung zu BGH, 16.1.2025 – IX ZR 229/23 und OLG Naumburg, a.a.O.).
  5. Die durch den BGH zu Art. 13 EuInsVO 2002: (= Art. 16 EuInsVO 2017) dem EuGH mit Beschluss vom 16.1.2025 vorgelegten Auslegungsfragen sind in der Gesamtschau nicht entscheidungserheblich, wenn Vertragsstatut des Gesellschafterdarlehensvertrages und Gesellschaftsstatut der Insolvenzschulderin gleichermaßen zur Anwendung desselben Rechts eines anderen Mitgliedstaats (hier zu englischem Recht, vor dem Brexit) führen (Interpretation und Differenzierung von BGH, 16.1.2025 – IX ZR 229/23).
  6. § 135 InsO ist jedenfalls dann nicht als Eingriffsnorm nach Art. 9 Rom I-VO einschränkend zu Art. 16 EuInsVO 2017 anzuwenden, wenn das über die Einrede nach Art. 16 EuInsVO 2017 zu betrachtende Recht zumindest ansatzweise auch einen insolvenzrechtlichen Gläubigerschutz bei Rechtshandlungen betreffend Gesellschafterdarlehen gewährleistet, selbst wenn es dabei andere – strengere – Voraussetzungen aufstellt und andere Schwerpunkte setzt. Unterliegen (wie im konkreten Fall für das englische Recht in zeitlicher Hinsicht und auf Beweislastebene bei verbundenen Personen – connected persons – zu bejahen) zu Gunsten von Gesellschaftern vorgenommene Handlungen einer erleichterten Anfechtbarkeit, ist die politische, soziale oder wirtschaftliche Organisation der Bundesrepublik Deutschland nicht dadurch in Frage gestellt, dass das anzuwendende Recht anders als das deutsche Recht keine voraussetzungslose Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehenszahlung im letzten Jahr vor der Insolvenz kennt.
  7. Die Anfechtungsgegnerin hat im Rahmen des Art. 16 EuInsVO 2017 darzulegen und zu beweisen, dass die Rechtshandlungen nach dem darüber anzuwendenden Recht in keiner Weise angreifbar sind. Dies schließt die Darlegung und den Nachweis des Inhaltes des anwendbaren ausländischen Rechtes ein, Lücken gehen zu ihren Lasten. Tragen die Parteien zum Inhalt des anwendbaren Rechts vor, z.B. auch durch Privatgutachten, und ergeben sich daraus keine erheblichen Streitfragen oder Unklarheiten für das erkennende Gericht, sondern allenfalls Subsumtionsfragen, kann auf die Einholung eines gerichtlichen Rechtsgutachtens verzichtet werden (§ 293 ZPO).
  8. Zur Anfechtbarkeit von Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen nach englischem Recht, insbesondere zu den Voraussetzungen einer Anfechtung wegen “preferenceˮ nach Sec. 239 IA 1986 und zur Feststellung eines Begünstigungswillens (“desire to preferˮ).
  9. Ein etwaiger auf dem Brexit beruhender Statutenwechsel einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland hin zu auf Grundlage der Sitztheorie fortan anzuwendendem deutschen Gesellschaftsrecht begründet jedenfalls keine Rückwirkung dahingehend, dass auch bereits vor dem Brexit ausgetretene Gesellschafter bzw. die Gesellschafter einer bereits vor dem Brexit im Englischen Companies House gelöschten Limited der persönlichen, akzessorischen Haftung für Forderungen gegen die Limited unterliegen.

 

Art. 20 EuGVVO: Arbeitsrechtliche Vertragsverletzung und vertragsbezogene Deliktsklage

LAG Hamm 26.2.2025 – 10 SLa 837/24

Auch wenn der klagende Arbeitgeber seine Anträge auf deliktische Anspruchsgrundlagen stützt, bildet ein „Anspruch aus einem individuellen Arbeitsvertrag“ den Gegenstand des Verfahrens i.S.d. Art. 20 EuGVVO, sofern sich der Arbeitgeber auf angeblich vom Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben begangene Fehler beruft und der Rechtsstreit anlässlich eines Arbeitsvertrages entstanden ist. Vom Anwendungsbereich des Abschnitts 5 der EuGVVO sind nur solche Klagen ausgenommen, die ein schädigendes Verhalten betreffen, das durch keinen objektiven Umstand – Ort, Zeit, Mittel oder Zweck – mit den vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben in Verbindung gebracht werden kann (im Anschluss an die Erwägungen EuGH, 10.9.2015, C-47/14, Rn. 48; Schlussanträge des Generalanwaltes zum Verfahren C-603/17, Rn. 95, 98, 111 sowie Schlussanträge des Generalanwaltes zum Verfahren C-59/19, Rn. 111).

 

Art. 13 Abs. 2 HKÜ: Kindeswille gegen Rückführungsantrag

OGH 16.6.2025 – 6 Ob 88/25x

Art. 13 Abs. 2 HKÜ ermöglicht die Ablehnung einer Kindesrückführung, wenn das Kind sich der Rückführung im Rahmen einer Befragung deutlich erkennbar widersetzt und nach dessen Alter und Reife diese Widersetzung zu berücksichtigen ist. Dabei kann die Widersetzung hinter einer in Art. 13 Abs. 1 lit. b) geforderten Gefährdung zurückbleiben. In der gerichtlichen Abwägung sind Authentizität und Ernsthaftigkeit der Widersetzung sowie das Gewicht der gegen die Rückführung angeführten Gründe zu beachten. Wenn ein Kind entsprechender Reife ernsthaft erklärt, dass es sicher weglaufen werde, wenn eine Rückführung erfolge, erhält dieser starke innere Wille in der Abwägung besonderes Gewicht.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Frühehe und österreichischer ordre public

OGH 25.4.2025 – 8 Ob 32/25a

Eine im Ausland erfolgte Eheschließung, zu welcher einer der Ehegatten unter anderem mit Gewalt gezwungen wurde und bei welcher jedenfalls einer der Ehegatten das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist unter Anwendung des österreichischen ordre public mangels konkreter Anhaltspunkte nicht als nichtige Ehe oder Nichtehe zu qualifizieren, soweit sie nach anwendbarem Recht nicht als solche gilt. So ist auch § 44 ABGB als Eingriffsnorm und Ausdruck des „positiven“ ordre public nicht zur Verhinderung eines wirksamen Zustandekommens der Ehe heranzuziehen, da die Norm weder ordnungspolitischen Lenkungsgehalt noch einen primär überindividuelle Interessen verfolgenden Charakter aufweist.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Internationale Zuständigkeit wegen Verstoßes des Drittbeklagten gegen eine Produktbeobachtungspflicht nach dem öst. Medizinproduktegesetz 1996

OGH 16.4.2025 – 3 Ob 35/25f

  1. Es besteht keine internationale Zuständigkeit des Gerichts für Schadensersatzklagen gegen Drittbeklagte mit Sitz in den USA, da gemäß § 92a Jurisdiktionsnorm (JN) nur an dem Ort geklagt werden kann, an dem das den Schaden verursachende Verhalten erfolgt ist, nicht auch an dem Ort, an dem die Schadenswirkung eingetreten ist.
  2. Es kann auch keine internationale Zuständigkeit wegen Verstoßes des Drittbeklagten gegen eine Produktbeobachtungspflicht nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) 1996 festgestellt werden, wenn dieser seinen Sitz nicht im Europäischen Wirtschaftsraum hat.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 25 EuGVVO: „Versteckte“ Gerichtsstandsvereinbarung

OGH 28.3.2025 – 8 Ob 35/25t

Es wurde keine Gerichtsstandsvereinbarung iSv Art. 25 EuGVVO getroffen, wenn sich die Phrase „Gerichtsstand: Gericht X.“ nicht im Vertragstext befindet, sondern an anderer Stelle, beispielsweise in einer Fußzeile kleiner Schriftgröße zwischen anderen Informationen, versteckt wurde, da dies dem Zweck des Schriftformerfordernisses aus Art. 25 Abs. 1 lit. a) entgegensteht.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Kollisionsrechtliche Anknüpfung bei Persönlichkeitsr

echtsverletzungen nach öst. Recht

OGH 26.3.2025 – 6 Ob 25/25g

Die kollisionsrechtliche Anknüpfung richtet sich bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nach nationalem Recht, in Österreich nach § 48 IPRG. Danach ist, soweit keine Rechtswahl getroffen wurde, das Recht des Staates anzuwenden, in dem das den Schaden verursachende Verhalten erfolgt ist. Etwas anderes gilt, wenn für beide Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht eines bestimmten anderen Staates besteht, insbesondere zum Recht des Erfolgsortes.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Online-Glücksspiel in Malta und Rückforderung des Spieleinsatzes

OGH 25.3.2025 – 1 Ob 36/25p

  1. Einem Rückforderungsanspruch eines österreichischen Klägers über die Verluste, die er durch ein nach österreichischem Recht verbotenes Online-Glücksspiel in Malta erlitten hat, kann grundsätzlich stattgegeben werden, da eine Verweigerung dem Zweck des Glücksspielverbots – dem Schutz der Spieler – widersprechen würde.
  2. Einem nationalen Gericht ist es nicht verboten, sich auf Vorentscheidungen höherer nationaler Gerichte, wie den Entscheidungen des OGH, zu berufen.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Online-Glücksspiel in Malta und Rückforderung des Spieleinsatzes

OGH 25.3.2025 – 1 Ob 22/25d

  1. Einem Rückforderungsanspruch eines österreichischen Klägers über die Verluste, die er durch ein nach österreichischem Recht verbotenes Online-Glücksspiel in Malta erlitten hat, kann grundsätzlich stattgegeben werden, da eine Verweigerung dem Zweck des Glücksspielverbots – dem Schutz der Spieler – widersprechen würde.
  2. Einem nationalen Gericht ist es nicht verboten, sich auf Vorentscheidungen höherer nationaler Gerichte, wie den Entscheidungen des OGH, zu berufen.
  3. Es bedarf keiner Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren (Rs. C-440/23), da die für diesen Fall relevanten Aspekte bereits durch andere EuGH-Entscheidungen geklärt sind.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Ischgl-Covid-Fall: Anwendbares Recht der Auskunftshaftung bei grenzüberschreitender Fehlinformation

OGH 25.3.2025 – 1 Ob 176/24Z

Der österreichische Tourismusverband haftet gegenüber einem deutschen Kläger, wenn der Verband im Rahmen seines gesetzlich vorgegebenen Tätigkeitsbereichs eine fahrlässige Falschauskunft über die dortige Infektionsgefahr tätigt, der Kläger im Vertrauen darauf dorthin fährt, sich mit SARS-CoV-2 infiziert, und eine Kausalität zwischen der Auskunft und dem Schaden durch die Infektion nachgewiesen werden kann.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Staatenimmunität Kanadas und Botschaftsangestellte: Arbeitsrechtliche Feststellungsklage

OGH 27.2.2025 – 8 ObA 56/24d

Eine Klage auf Feststellung eines weiterhin bestehenden Dienstverhältnisses durch eine bis zu ihrer Kündigung als local employee in der kanadischen Botschaft in Österreich beschäftigten Klägerin ist abzulehnen, da die Staatenimmunität Kanadas gemäß Art. 11 Abs. 2 lit. a) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit aufgrund der hoheitlichen Tätigkeit der Klägerin greift und somit keine inländische Gerichtsbarkeit besteht.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Veranstaltungshinweise

  • Am 30.10.2025 findet in Mainz der Europäische Tag der Justiz statt, mit dem Ziel, den fachlichen Austausch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu fördern und eine stärkere Vernetzung von Praktikerinnen und Praktikern im Hinblick auf Themen aus dem Europarecht zu ermöglichen. Das Bundesamt für Justiz lädt in diesem Jahr gemeinsam mit dem Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz sowie dem Landgericht Mainz zum Europäischen Tag der Justiz in Mainz ein. Es werden Workshops zu aktuellen Themen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im europäischen Erbrecht und bei der grenzüberschreitenden Zustellung und Beweisaufnahme mit Expertinnen und Experten aus Deutschland und aus dem diesjährigen Partnerstaat Frankreich angeboten. Weitere Informationen sowie Hinweise zu den Anmeldemöglichkeiten finden Sie unter www.bundesjustizamt.de/etj.