Heft 1/2022 (Januar 2022)
GEDIP zum IZPR und IPR der menschenrechtsbezogenen Unternehmenshaftung
Die Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht (GEDIP) hat eine Empfehlung an die EU-Kommission zu den völkerrechtlichen Aspekten des künftigen EU-Instruments zur Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht von Unternehmen ausgesprochen. Die GEDIP schlägt vor, dass das künftige EU-Instrument neben öffentlich-rechtlichen Überwachungs- und Durchsetzungssystemen auch zivilrechtliche Pflichten für die betreffenden Unternehmen zu schaffen. Da dies auch Fragen des internationalen Privatrechts aufwerfen wird, sollte das Instrument in den EU-Verordnungen geregelt sein. Es wird daher vorgeschlagenen, dass das EU-Instrument die derzeitige Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EuGVVO auf Fälle ausweiten soll, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz in keinem Mitgliedsstaat hat und ein forum necessitas für den Fall schafft, dass innerhalb der EU keine gerichtliche Zuständigkeit zur Verfügung steht und die Bestimmungen unabhängig vom anzuwendenden Recht auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse und Gesellschaften ausgeweitet wird.
Primärrechtliche Anerkennung der Geburtsurkunde mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen aus Freizügigkeitsgründen
EuGH 14.12.2021 – RS. C-490/20 – V.M.A. ./. Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo"
Art. 4 Abs. 2 EUV, die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Art. 7, 24 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, [...] sind dahin auszulegen, dass im Fall eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist und dessen von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellte Geburtsurkunde zwei Personen gleichen Geschlechts als seine Eltern bezeichnet, der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger dieses Kind ist, zum einen verpflichtet ist, ihm einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne die vorherige Ausstellung einer Geburtsurkunde durch seine nationalen Behörden zu verlangen, sowie zum anderen ebenso wie jeder andere Mitgliedstaat das aus dem Aufnahmemitgliedstaat stammende Dokument anzuerkennen hat, das es diesem Kind ermöglicht, mit jeder dieser beiden Personen sein Recht auszuüben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
Konnexitätsgrenzen des Art. 13 Abs. 3 EuGVVO
EuGH 9.12.2021 – Rs. C 708/20 – BT ./. Seguros Catalana Occidente, EB
Art. 13 Abs. 3 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass im Fall einer von dem Geschädigten gemäß Art. 13 Abs. 2 EuGVVO unmittelbar gegen einen Versicherer erhobenen Klage das Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Geschädigte seinen Wohnsitz hat, sich nicht auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 3 EuGVVO auch für die Entscheidung über eine von dem Geschädigten gleichzeitig erhobene Schadensersatzklage gegen den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versicherungsnehmer oder Versicherten, dem der Versicherer nicht den Streit erklärt hat, für zuständig erklären kann.
Kein Art. 22 Nr. 5 und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2001 bei verfristeter Klage auf Herausgabe eines Vollstreckungserlöses
EuGH 9.12.2021 – Rs. C-242/20 – HRVATSKE ŠUME d.o.o., Zagreb ./. BP Europa SE
1. Art. 22 Nr. 5 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe nicht in die in dieser Bestimmung vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit fällt, auch wenn diese Klage deshalb erhoben wurde, weil die Frist verstrichen war, innerhalb deren die Herausgabe der in einem Zwangsvollstreckungsverfahren rechtsgrundlos überwiesenen Beträge im Rahmen eben dieses Vollstreckungsverfahrens geltend gemacht werden kann.
2. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe nicht in die in dieser Bestimmung vorgesehene Zuständigkeit fällt.
Art. 3 Abs. 1 lit. a EuEheVO: Kein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt
EuGH 25.11.2021 – Rs. C-289/20 – IB./.FA
Art. 3 Abs. 1 lit. a EuEheVO ist dahin auszulegen, dass ein Ehegatte, der sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt nur in einem dieser Mitgliedstaaten haben kann, so dass allein die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich dieser gewöhnliche Aufenthalt befindet, für die Entscheidung über den Antrag auf Auflösung der Ehe zuständig sind.
Art. 32 Abs. 2 EuInsVO: Fristen und Forderungsanmeldung in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren
EuGH 25.11.2021 – Rs. C-25/20 – NK ./. Alpine BAU GmbH
Art. 32 Abs. 2 in Verbindung mit den Art. 4 und 28 EuInsVO ist dahin auszulegen, dass die Anmeldung von bereits im Hauptinsolvenzverfahren angemeldeten Forderungen durch den Verwalter dieses Verfahrens in einem Sekundärinsolvenzverfahren den Vorschriften über die Fristen für die Anmeldung von Forderungen und über die Folgen verspäteter Anmeldungen unterliegt, die nach dem Recht des Staates gelten, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wurde.
Iranboykottsperre wirkt auch auf vorrangige Gläubigerbefriedigung ein
EuGH 11.11.2021 – Rs. C-340/20 – Bank Sepah ./. Overseas Financial Limited, Oaktree Finance Limited
1. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran in der durch die Verordnung (EG) Nr. 618/2007 des Rates vom 5. Juni 2007 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 1 lit. h und j der Verordnung Nr. 423/2007, Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 des Rates vom 25. Oktober 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 423/2007 in Verbindung mit Art. 1 lit. h und i der Verordnung Nr. 961/2010 und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 961/2010 in Verbindung mit Art. 1 lit. j und k der Verordnung Nr. 267/2012 sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass auf Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union eingefroren wurden, ohne vorherige Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde Sicherungsmaßnahmen angewandt werden, mit denen dem betreffenden Gläubiger das Recht eingeräumt wird, im Vergleich zu anderen Gläubigern vorrangig befriedigt zu werden, auch wenn derartige Maßnahmen nicht die Wirkung haben, Vermögensgegenstände aus dem Vermögen des Schuldners herauszulösen.
2. Für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist es nicht von Bedeutung, dass der Rechtsgrund der gegenüber der Person oder Einrichtung, deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden, beizutreibenden Forderung nicht mit dem iranischen Nuklear- und Raketenprogramm zusammenhängt und aus der Zeit vor der Resolution 1737 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 23.12.2006 stammt.
Deliktsgerichtsstand, aber keine Anwendung des Art. 13 Abs. 2 EuGVVO bei Forderungsabtretung
EuGH 21.10.21 – Rs. C-393/20 – T.B. u.a. ./. G.I. A/S (nicht-offizielle Übersetzung)
1. Art. 13 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er nicht von einer Gesellschaft geltend gemacht werden kann, die als Gegenleistung für Dienstleistungen, die sie für das unmittelbare Opfer eines Straßenverkehrsunfalls im Zusammenhang mit dem aus diesem Unfall resultierenden Schaden erbringt, von dem Opfer den Anspruch auf Zahlungen gegenüber dem Versicherer des Unfallverursachers erworben hat, ohne jedoch eine berufliche Tätigkeit im Bereich der Geltendmachung solcher Forderungen auszuüben.
2. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er von einem Gewerbetreibenden geltend gemacht werden kann, der die Forderung des Opfers eines Straßenverkehrsunfalls aufgrund eines Abtretungsvertrags zu dem Zweck erworben hat, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine Klage aus unerlaubter Handlung oder unerlaubter Handlung zu erheben, eine Klage aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, gegen den Versicherer des Verursachers dieses Unfalls, der seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem des Ortes des schädigenden Ereignisses hat, zu erheben, sofern die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt sind, dessen Prüfung Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Art. 101 Abs. 1 AEUV: Keine Begrenzung der Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft bei wirtschaftlicher Einheit durch nationales Recht
EuGH 6.10.2021 – Rs. C-882/19 – Sumal SL ./. Mercedes Benz Trucks España SL
1. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass das Opfer einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise eines Unternehmens eine Schadensersatzklage sowohl gegen eine Muttergesellschaft, die von der EU-Kommission wegen dieser Verhaltensweise in einem Beschluss mit einer Sanktion belegt wurde, als auch gegen eine Tochtergesellschaft dieser Gesellschaft, die von diesem Beschluss nicht betroffen ist, erheben kann, sofern sie zusammen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die betreffende Tochtergesellschaft muss ihre Verteidigungsrechte sachdienlich ausüben können, um nachzuweisen, dass sie nicht zu diesem Unternehmen gehört, und ist, wenn die Kommission keinen Beschluss nach Art. 101 AEUV erlassen hat, auch berechtigt, das Vorliegen der behaupteten Zuwiderhandlung selbst zu bestreiten.
2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit vorsieht, die Haftung für das Verhalten einer Gesellschaft einer anderen Gesellschaft nur dann zuzurechnen, wenn die zweite Gesellschaft die erste Gesellschaft kontrolliert.
Art. 1 Abs. 1 EuGVVO und Mautgebührenstreit
EuGH 21.9.2021 – Rs. C-30/21 – Nemzeti Útdíjfizetési Szolgáltató Zrt. ./. NW
Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen" im Sinne dieser Bestimmung eine Klage auf gerichtliche Beitreibung einer Gebühr für die Nutzung einer mautpflichtigen Straße fällt, die von einer Gesellschaft erhoben wird, die durch ein Gesetz, das das sich aus dieser Nutzung ergebende Verhältnis als privatrechtlich qualifiziert, bevollmächtigt ist.
Kein Vorabentscheidungsersuchen zu der EuErbVO durch Notarvertreter
EuGH 1.9.2021 – Rs. C-387/20 – OKR
Das von einem Zastępca notarialny w Krapkowicach (Notarvertreter, tätig in Krapkowice, Polen) eingereichte Vorabentscheidungsersuchen zu Art. 22 und Art. 75 EuErbVO ist offensichtlich unzulässig.
Kein Völkerrechtsverstoß durch EU-Fluggastentschädigungsregelung
Schlussanträge des Generalanwalts Athanasios Rantos beim EuGH 9.12.2021 – Rs. C-561/20
1. Art. 3 Abs. 1 lit. a und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines aus zwei Teilflügen bestehenden und auf einer einzigen Buchung beruhenden Flugs mit Anschlussflug, der von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats zu einem Flughafen in einem Drittstaat mit Zwischenlandung auf einem anderen Flughafen dieses Drittstaats durchgeführt wird, ein Fluggast, der sein Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht, die auf den zweiten Teilflug zurückgeht, der wie der erste Teilflug von einem Luftfahrtunternehmen eines Drittstaats durchgeführt wird, seine Klage auf Ausgleichsleistung gemäß dieser Verordnung gegen dieses ausführende Luftfahrtunternehmen richten kann, wenn die einzige Buchung bei einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft erfolgte, das keinen der Teilflüge physisch durchgeführt hat.
2. Art. 3 Abs. 1 lit. a und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Antwort auf die erste Frage dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der vollen und ausschließlichen Hoheit eines Staates über seinen Luftraum nicht zuwiderläuft, so dass dieser Grundsatz die Gültigkeit der Verordnung nicht beeinträchtigen kann.
Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO: Subsidiärer Staatsangehörigkeitsgerichtsstand von Amts wegen
Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona beim EuGH 2.12.2021 – Rs. C- 645/20
Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO ist dahin auszulegen, dass, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes nicht in einem Mitgliedstaat der Union hatte, das Gericht eines Mitgliedstaats, in dem ein Rechtsstreit in Erbsachen anhängig gemacht worden ist, sich von Amts wegen für den gesamten Nachlass für zuständig erklären muss, wenn auf der Grundlage des von den Parteien vorgetragenen unstreitigen Sachverhalts der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes die Staatsangehörigkeit dieses Staates besaß und dort belegenes Vermögen hatte.
Art. 4 Rom II-VO: Erfolgsort bei aus Gesellschaftsschaden abgeleitetem Gesellschaftsgläubigerschaden
Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona beim EuGH 28.10.2021 – Rs. C-498/20
1. Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass er außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus der Verletzung der Gesellschaftern und Organen obliegenden Sorgfaltspflicht ergeben, von ihrem Anwendungsbereich ausschließt, wenn die gesetzliche Haftung der Gesellschafter oder Organe gegenüber Dritten aufgrund dieser Verletzung im Gesellschaftsrecht begründet ist. Die Haftung, die durch einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht begründet wird, ist nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen.
2. Art. 4 Abs. 1 der Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass „der Staat, in dem der Schaden eintritt", der Staat ist, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, wenn der Schaden, den ihre Gläubiger erlitten haben, mittelbare Folge der zunächst der Gesellschaft selbst entstandenen finanziellen Verluste ist. Der Umstand, dass die Klagen von einem Insolvenzverwalter im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabe zur Verwertung der Insolvenzmasse oder von einem Vertreter kollektiver Interessen zugunsten (jedoch nicht namens) der Gesamtheit der Gläubiger erhoben worden sind, ist für die Bestimmung dieses Staats ohne Bedeutung. Dass einige Gläubiger ihren Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union haben, ist ebenfalls ohne Bedeutung.
3. Art. 4 Abs. 3 der Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis zwischen dem Verursacher eines Schadens und dem unmittelbar Geschädigten (wie beispielsweise eine Finanzierungsvereinbarung, für die die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben) ein Aspekt ist, der bei der Feststellung, ob zwischen der unerlaubten Handlung und einem bestimmten Staat eine offensichtlich engere Beziehung besteht als zwischen dieser Handlung und dem Staat, dessen Recht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 anwendbar wäre, gemeinsam mit den übrigen Umständen in die Abwägung einzubeziehen ist.
Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO und Verletzungsklage eines in diesem Staat ansässigen Rechtsinhabers gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Rechtsverletzer
Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar beim EuGH 28.10.2021 – Rs. C-421/20
1. Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO und Art. 88 Abs. 2 sowie Art. 89 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind dahin auszulegen, dass ein Fall, in dem ein Gericht eines Mitgliedstaats nach Art. 82 Abs. 5 der letztgenannten Verordnung mit einer Verletzungsklage eines in diesem Staat ansässigen Rechtsinhabers gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Rechtsverletzer befasst wird, die das Angebot zum Verkauf und das Inverkehrbringen der in Rede stehenden Waren in diesem ersten Mitgliedstaat betrifft, eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO aufweist und folglich Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung das Recht bestimmt, das auf Folgeansprüche, die das Gebiet dieses Mitgliedstaats betreffen, anwendbar ist.
2. Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass sich der Begriff „[Staat], in dem die Verletzung begangen wurde" im Sinne dieser Vorschrift, soweit es um die Bestimmung des auf die im Rahmen dieser Verletzungsklage geltend gemachten Folgeansprüche anwendbaren Rechts geht, auf den Staat bezieht, in dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist.
Art. 13 EuErbVO: Keine Mehrfachausschlagung
Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad (Bulgarien) an den EuGH 25.10.2021 – Rs. C-651/21
1. Ist Art. 13 EuErbVO in Verbindung mit dem Grundsatz des Schutzes der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass, nachdem ein Erbe beim Gericht des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft eines Erblassers, der zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat der Europäischen Union hatte, bereits hat eintragen lassen, im letztgenannten Staat eine weitere Eintragung der erfolgten Ausschlagung oder Annahme beantragt wird?
2. Falls die Antwort auf die erste Frage lautet, dass eine weitere Eintragung zulässig ist: Sind Art. 13 EuErbVO in Verbindung mit den Grundsätzen des Schutzes der Rechtssicherheit und der wirksamen Durchsetzung des Unionsrechts sowie die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Staaten gemäß Art. 4 Abs. 3 [EUV] dahin auszulegen, dass sie die Beantragung der Eintragung der durch einen Erben im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts erfolgten Ausschlagung der Erbschaft eines gemeinsamen Erblassers durch einen anderen Erben, der sich in dem Staat aufhält, in dem der Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ungeachtet dessen gestatten, dass das Prozessrecht des letzteren Staates keine Möglichkeit vorsieht, die Ausschlagung der Erbschaft in fremdem Namen einzutragen?
Art. 4 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 EuGVVO bei Mitarbeitgeberschaft
Vorabentscheidungsersuchen der Cour de Cassation (Frankreich) an den EuGH 13.10.2021 – Rs. C-639/21
1. Sind die Art. 4 Abs. 1 und 20 Abs. 1 EuGVVO dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem geltend gemacht wird, eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die von einem Arbeitnehmer vor den Gerichten dieses Staates verklagt wird, sei Mitarbeitgeberin dieses von einer anderen Gesellschaft eingestellten Arbeitnehmers, das betreffende Gericht nicht verpflichtet ist, zur Feststellung seiner Zuständigkeit für die Klagen gegen die beiden Gesellschaften zuvor zu prüfen, ob eine Mitarbeitgeberschaft vorliegt?
2. Sind diese Artikel dahin auszulegen, dass in einem solchen Fall die Autonomie der besonderen Zuständigkeitsvorschriften für individuelle Arbeitsverträge nicht der Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO enthaltenen allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift entgegensteht, nach der die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat?
Anwendbarkeit des EVÜ und der Rom I-VO bei Vertrag über die Teilzeitnutzung von Immobilien über den Erwerb von Klubpunkten zwischen UK-Staatsangehörigen
Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia e Instrucción n° 2 de Granadilla de Abona (Spanien) 13.10.2021 – Rs. C-632/21
1. Sind das Übereinkommen von Rom von 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und die Rom I-VO dahin zu verstehen, dass sie auf Verträge anzuwenden sind, bei denen beide Parteien Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs sind?
Falls die erste Frage bejaht wird:
2. Ist die Rom I-VO dahin auszulegen, dass sie gemäß ihrem Art. 24 auf Verträge anwendbar ist, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen wurden? Falls die Frage verneint wird: Ist davon auszugehen, dass ein Vertrag über die Teilzeitnutzung von Immobilien über den Erwerb von Klubpunkten auch dann in den Anwendungsbereich der Art. 4 Abs. 3 oder Art. 5 des Übereinkommens von Rom von 1980 fällt, wenn der Verbraucher als anzuwendendes Recht das Recht eines anderen als des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts wählt? Und wenn die Antwort lautet, dass er in [den Anwendungsbereich] beide[r Artikel] fallen könnte, welche Regelung hätte dann Vorrang?
3. Ist unabhängig von den Antworten auf die zweite Frage ein Vertrag über die Teilzeitnutzung von Immobilien über den Erwerb von Klubpunkten als Vertrag anzusehen, durch den dingliche Rechte an Immobilien oder persönliche Mitgliedschaftsrechte erworben werden?
– Falls der Erwerb dinglicher Rechte bejaht wird, welcher der Art. 4 Abs. 1 lit. c und Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts auch dann vorrangig anzuwenden, wenn der Verbraucher als anzuwendendes Recht das Recht eines anderen als des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts wählt?
– Falls der Erwerb persönlicher Rechte bejaht wird, sind sie dann als Mietrecht an unbeweglichen Sachen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. c oder Dienstleistungsrecht im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b anzusehen? Und ist Art. 6 Abs. 1 in Bezug auf Verbraucher und/oder Nutzer jedenfalls auch dann vorrangig anzuwenden, wenn der Verbraucher als anzuwendendes Recht das Recht eines anderen als des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts wählt?
4. Sind in allen vorgenannten Fällen die Bestimmungen über das anzuwendende Recht des Übereinkommens von Rom von 1980 und der Rom I-VO dahin auszulegen, dass sie mit einer nationalen Regelung im Einklang stehen, nach der „[a]lle Verträge, die Nutzungsrechte an einer oder mehreren in Spanien belegenen Immobilien für einen bestimmten oder einen zu bestimmenden Zeitraum des Jahres betreffen, ... unabhängig von Ort und Zeitpunkt ihres Abschlusses den Bestimmungen dieses Gesetzes [unterliegen]"?
Art. 8 Abs. 1 EuEheVO und perpetuatio fori bei Drittstaatenumzug
Vorabentscheidungsersuchen des Högsta domstolen (Schweden) an den EuGH 16.9.2021 – Rs. C-572/21
Bleibt die Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO bestehen, wenn das Kind, um das es in dem Gerichtsverfahren geht, von einem Mitgliedstaat in ein Drittland zieht, das dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern von 1996 beigetreten ist (vgl. Art. 61 des Übereinkommens)?
Art 7 Nr. 2 EuGVVO und Territorialitätsprinzip bei Urheberrechtsverletzung
Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) an den EuGH 12.7.2021 – Rs. C-423/21
Vorlagefrage III: Sind Art. 2 lit. a und lit. e sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG in Verbindung mit Art 7 Nr. 2 EuGVVO dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährleistet werden, dieses Gericht – weil das Territorialitätsprinzip der Kognitionsbefugnis inländischer Gerichte in Bezug auf ausländische Verletzungshandlungen entgegensteht – nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig ist, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört, oder kann oder muss dieses Gericht auch über nach den Behauptungen des verletzten Urhebers außerhalb dieses Hoheitsgebiets (weltweit) begangene Tathandlungen absprechen?
Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 Abs. 1 EuGVVO 2001 und mit anti-suit-injunctions wirkungsgleichen Klagen
Vorabentscheidungsersuchen des Areios Pagos (Kassationsgerichtshof, Griechenland) an den EuGH 25.6.2021 – Rs. C-590/21
Liegt ein offensichtlicher Verstoß gegen die öffentliche Ordnung der Union und damit gegen die nationale öffentliche Ordnung, der nach Art. 34 Nr. 1 und Art.45 Abs. 1 EuGVVO 2001 einen Grund für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung darstellt, nicht nur bei ausdrücklichen „Anti-Klage-Verfügungen", mit denen untersagt wird, Verfahren vor den Gerichten anderer Mitgliedstaaten einzuleiten oder fortzusetzen, sondern auch bei Entscheidungen und Beschlüssen von Gerichten der Mitgliedstaaten vor, die (i) die Gewährung von Rechtsschutz durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats oder die Fortsetzung von dort bereits eingeleiteten Gerichtsverfahren für den Kläger erschweren und ihn dabei behindern, und (ii) ist ein derartiger Eingriff in die Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, über eine bestimmte, bereits bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeit zu entscheiden, mit der öffentlichen Ordnung der Union vereinbar? Widerspricht insbesondere die Anerkennung oder (und) Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen oder Beschlüssen von Gerichten der Mitgliedstaaten der öffentlichen Ordnung der Union im Sinne von Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 Abs. 1 EuGVVO 2001, wenn mit diesen Entscheidungen oder Beschlüssen den Antragstellern, die die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung begehren, eine vorläufige, ihnen im Voraus zu zahlende finanzielle Entschädigung für die ihnen durch die Erhebung einer Klage oder die Fortsetzung eines Verfahrens vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats entstehenden Kosten und Auslagen zugesprochen wird, und zwar mit der Begründung, dass a) die Rechtssache – wie sich aus der Prüfung dieser Klage ergebe – von einem Vergleich erfasst werde, der formgerecht geschlossen und von dem Gericht des Mitgliedstaats, das die Entscheidung (oder) und den Beschluss erlasse, gebilligt worden sei, und b) das Gericht des anderen Mitgliedstaats, bei dem die Partei, gegen die die Entscheidung und der Beschluss ergangen seien, eine neue Klage eingereicht habe, wegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsklausel nicht zuständig sei?
2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Stellt es im Sinne des in Art. 34 Nr. 1 EuGVVO 2001 enthaltenen Begriffs, dessen Grenzen der Gerichtshof auszulegen hat, einen Grund für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der von Gerichten eines anderen Mitgliedstaats (Vereinigtes Königreich) mit dem oben (...) genannten Inhalt erlassenen Entscheidung und Beschlüsse in Griechenland dar, wenn diese unmittelbar und offensichtlich gegen die nationale öffentliche Ordnung verstoßen, und zwar nach den im Land herrschenden wesentlichen staatstragenden und rechtlichen Anschauungen und den grundlegenden Regelungen des griechischen Rechts, die den Kernbereich des Rechts auf gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 8 und 20 der griechischen Verfassung, Art. 33 des Astikos Kodikas [Zivilgesetzbuch] und der im gesamten griechischen Prozessrecht enthaltene Grundsatz der Wahrung des vorgenannten Rechts, wie er in den Art. 173 Abs. 1 bis 3, Art. 176, 185, 191, 205 des Kodikas Politikis Dikonomias [Zivilprozessordnung] konkretisiert wird [...]) und des Art. 6 Abs. 1 EMRK betreffen, so dass in diesem Fall eine Abweichung von dem im Unionsrecht verankerten Grundsatz des freien Verkehrs gerichtlicher Entscheidungen zulässig ist, und ist die auf diesem Grund beruhende Versagung der Anerkennung mit den Anschauungen vereinbar, die die europäische Perspektive aufnehmen und fördern?
Art. 8 EuZustVO: Einschreiben und nationale Präklusionsfrist für Zustellungsmängel
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal da Relação do Porto (Portugal) 4.6.2021 – Rs. C-346/21
1. Kann dahin ausgelegt werden, dass eine Zustellung per Einschreiben an eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ohne Verwendung des in Anhang II der EuZustVO aufgeführten Formblatts unter den Umständen des vorliegenden Verfahrens gültig ist?
2. Können die EuZustVO und die ihr zugrunde liegenden Grundsätze des Unionsrechts dahin ausgelegt werden, dass sie der Anwendung von Art. 191 Abs. 2 des portugiesischen Código de Processo Civil (Zivilprozessordnung) auf den vorliegenden Fall entgegenstehen, soweit diese Bestimmung vorsieht, dass die Unwirksamkeit der Zustellung innerhalb einer bestimmten Frist (der Frist für die Klagebeantwortung) geltend gemacht werden muss?
Art. 1 Abs. 2 lit. l und Art. 69 Abs. 5 EuErbVO: Nationale Bedingungen für dingliche Grundbucheintragung der Rechtsnachfolge
Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Litauen) 4.6.2021 – Rs. C-354/21
Sind Art. 1 Abs. 2 lit. l und Art. 69 Abs. 5 EuErbVO dahin auszulegen, dass sie der Anwendung von Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem ein Grundstück belegen ist, nicht entgegenstehen, wonach Eigentumsrechte nur dann aufgrund eines Europäischen Nachlasszeugnisses in das Liegenschaftsregister eingetragen werden können, wenn alle für die Eintragung erforderlichen Angaben in dem Europäischen Nachlasszeugnis enthalten sind?
Art. 1 Abs. 1 EuGVVO: Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (Österreich) 28.4.2021 – Rs. C-275/21
Vorlagefrage I: Ist ein Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, das in Umsetzung der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2014/23/EU stattfindet, eine Streitigkeit über eine Zivil- und Handelssache gemäß Art. 1 Abs. 1 EuGVVO? Ist ein solches Nachprüfungsverfahren gemäß der vorstehenden Frage zumindest eine Zivilsache gemäß Art. 81 Abs. 1 AEUV?
Art. 17, 19, 62 Abs. 1 EuGVVO: Isolierter Verbraucher-, Aufenthalts- und Wohnsitzbegriff bei Kreditvertrag zum Erwerb einer Wohnimmobilie?
Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski gradski sad (Bulgarien) an den EuGH 6.4.2021 – Rs. C-445/21
1. Ist der Begriff „Verbraucher", wie er in Art. 17 EuGVVO verwendet wird, gemäß seinem im Rahmen der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit festgelegten Inhalt auszulegen oder hat er einen eigenständigen Inhalt?
2. Ist bei der Prüfung der Eigenschaft als „Verbraucher" der Zweck relevant, der sich aus der rechtmäßigen Wirkung des Vertrags, der vorliegend die Möglichkeit eines zukünftigen Gewinns (Investitionsvorhaben) gewährt, ergibt, oder ist die Verbindung des Vertrags mit der von der Person ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Bedeutung?
3. Ist der Begriff „in Raten zurückzuzahlendes Darlehen", wie er in Art. 17 Abs. 1 lit. b EuGVVO verwendet wird, dahin auszulegen, dass er sich nur auf Verträge über Sachen (körperliche Gegenstände, bewegliche Sachen) bezieht oder umfasst er alle Darlehen, auch solche aus einem zum Zweck des Erwerbs einer Wohnimmobilie geschlossenen Bankkreditvertrag?
4. Können aus der EuGVVO, wenn sie in Bezug auf den Begriff „Wohnsitz" in Art. 62 Abs. 1 EuGVVO auf das nationale Recht des angerufenen Gerichts verweist, autonome Kriterien hergeleitet werden (beispielsweise ein formales Merkmal der Verbindung zu einem bestimmten Hoheitsgebiet), um festzustellen, ob ein Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats vorliegt, bei dessen Gericht eine Klage gegen einen Verbraucher anhängig ist?
5. Was ist, soweit ein zum Zweck des Erwerbs einer Wohnimmobilie geschlossener Kreditvertrag ein Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO sein kann, unter dem Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt", wie er in Art. 19 Nr. 3 EuGVVO verwendet wird, zu verstehen, und ist es insbesondere möglich, dass er mit dem Mittelpunkt der Hauptinteressen des Verbrauchers zusammenhängt?
6. Ist, falls die EuGVVO zur Gewährleistung ihrer wirksamen Anwendung in Bezug auf den Begriff „Wohnsitz" autonome Kriterien festlegt, auch die örtliche Zuständigkeit auf der Grundlage dieses Begriffs zu bestimmen?
Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO: Auch Norm örtlicher Zuständigkeit?
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunalul Bucureşti (Rumänien) 2.12.2020 – Rs. C-652/20
Ist Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO dahin auszulegen, dass er nur die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten [der Europäischen Union] betrifft, oder dahin, dass er auch die nationale (örtliche) Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzes des durch die Versicherung Begünstigten festlegt?
Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung: Qualifikationskriterium und ordre public
BGH 29.9.2021 – XII ZB 309/21
1. Kollisionsrechtlich ist eine Eheschließung durch einen Vertreter nur dann als reine Formfrage zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren und wäre nach dem für Deutsche geltenden Heimatrecht unzulässig.
2. Die Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.
Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 ErwSÜ: loi uniforme und Gleichlaufprinzip
BGH 18.8.2021 – XII ZB 145/21
1. Wird für einen hier lebenden griechischen Staatsbürger mit Vermögen in Griechenland die Anordnung einer Betreuung veranlasst, begründet Art. 5 Abs. 1 ErwSÜ die internationale Zuständigkeit des Landgerichts. Unbeachtlich ist demgegenüber, dass Griechenland das Übereinkommen bisher nicht ratifiziert hat.
2. Gemäß Art. 13 Abs. 1 ErwSÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kapitel II des Übereinkommens grundsätzlich ihr eigenes Recht an (sog. Gleichlaufprinzip). Gemäß § 13 Abs. 1 ErwSÜ ist materiell-rechtlich das deutsche Recht maßgebend.
3. Gemäß der Ausweichklausel des § 13 Abs. 2 ErwSÜ kann ausnahmsweise, soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens des Erwachsenen erfordert, das Recht eines anderen Staates anwenden oder berücksichtigen, zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat.
(Leitsätze von Livia Biasco, Köln)
Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. m, Art. 13 EuInsVO, Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO: Drittzahlung und Insolvenzanfechtung
BGH 29.7.2021 – IX ZR 94/19
1. Nach welchem Recht die geltend gemachte Insolvenzanfechtung zu beurteilen ist, richtet sich, weil das Insolvenzverfahren vor dem 26.6.2017 eröffnet worden ist, nach den Bestimmungen der EuInsVO. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. m EuInsVO regelt grundsätzlich das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus), welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen.
2. Art. 13 EuInsVO und Art. 12 Abs. 1 lit. b Rom I-VO sind dahin auszulegen, dass das auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch für die Zahlung maßgebend ist, die ein Dritter zur Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtung einer Vertragspartei leistet, wenn diese Zahlung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als Handlung, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt, angefochten wird.
(Leitsätze von Livia Biasco, Köln)
Willkürliche Verweisung
BayObLG 18.11.2021 – 102 AR 151/21
Weicht das verweisende Gericht bei der Prüfung der eigenen Zuständigkeit von der höchstrichterlichen bzw. der weit überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung ab, auf die es von einer Partei hingewiesen wurde, und folgt ohne jede sachliche Auseinandersetzung einer Mindermeinung, so kann dies den Schluss auf eine rein ergebnisorientierte und damit schlechterdings nicht mehr nachvollziehbare und damit willkürliche Verweisung rechtfertigen.
Art. 7 Nr. 2 EuGVVO erfasst Geschäftsgeheimnisverletzungen
OLG Düsseldorf 25.11.2021 – 15 SA 1/21
1. In Fällen mit Auslandsberührung setzt die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO voraus, dass gegenüber sämtlichen Streitgenossen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben ist.
2. Zu den unerlaubten Handlungen i.S.v. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zählen auch Geschäftsgeheimnisverletzungen.
3. Da sich die örtliche Zuständigkeit für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden, nach § 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG ausschließlich anhand des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten bestimmt, ist der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO bei Geschäftsgeheimnisstreitsachen ausgeschlossen.
4. § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG regelt die örtliche Zuständigkeit für Fälle, in denen der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat und somit die Zuständigkeitsregelung gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG nicht eingreift. Hat der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit jedoch nach der Brüssel Ia-Verordnung.
5. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO regelt ebenso wie Art. 8 Nr. 1 EuGVVO nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit.
6. Soweit eine Zuständigkeit nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO gegeben ist, scheidet ein Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich aus.
7. Dass für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden, das Gericht ausschließlich örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG), schließt eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht aus.
Gleichrang der Zustellungsarten nach der EuZustVO, aber keine volle Parteidisposition über Zustellungsart
OLG Frankfurt a. M. 3.11.2021 – 6 W 95/21
1. Der vom EuGH herausgestellte Gleichrang der Zustellungsarten nach der EuZustVO egalisiert nicht deren Anwendungsbereich.
2. Einer Privatpartei, die eine Zustellung im Parteibetrieb ins Europäische Ausland zu besorgen hat, steht einzig die unmittelbare Zustellung nach Art. 15 EuZustVO offen. Sie fällt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 14 EuZustVO.
3. Der Privatpartei steht es nicht frei, nach ihrem Belieben eine Ersetzung dieser Zustellungsart durch eine solche nach Art. 14 EuZustVO auf ihre Veranlassung durch das Gericht zu verlangen. Eine Ersetzung der Zustellungsart kommt erst dann in Betracht, wenn der Privatpartei keine Möglichkeit der Zustellung mehr nach der EuZustVO verbleibt.
Gerichtsstandsvereinbarungen deutscher Personengesellschaften mit ausländischen persönlich haftenden Gesellschaftern
OLG Frankfurt a.M. 28.10.2021 – 11 SV 41/21
Gerichtsstandsvereinbarungen deutscher Personengesellschaften mit ausländischen persönlich haftenden Gesellschaftern sind an Art. 25 EuGVVO zu messen. § 38 ZPO findet keine Anwendung.
Rückführung nach dem HKÜ und Vollstreckungsschutz nach § 44 Abs. 3 Satz 2 IntFamRVG
KG Berlin 8.10.2021 – 16 UF 120/21
1. Im Verfahren zur Rückführung eines entführten Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) kann Vollstreckungsschutz nach Maßgabe von § 44 Abs. 3 Satz 2 IntFamRVG gewährt werden.
2. Eine Aussetzung der Vollstreckung der Entscheidung, das entführte Kind zurückzuführen, kommt nur in Betracht, wenn sich die Verhältnisse seit Erlass der Rückführungsentscheidung in einem solchen Ausmaß geändert haben, das nunmehr in unvorhersehbarer Weise die Voraussetzungen nach Art. 13 Abs. 1 HKÜ vorliegen.
Art. 13 HKÜ: Rückführung nach dem HKÜ und Kindesalter
OLG Brandenburg 6.10.2021 – 10 UF 75/21
1. Rückführung eines 15-jährigen Mädchens: Bei der Anwendung des Art. 13 Abs. 2 HKÜ gibt es keine starre Altersgrenze sowie keine formale absolute Untergrenze. Die Berücksichtigungsfähigkeit des Kindeswillens hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere dem individuellen Entwicklungsstand.
2. Rückführung eines 8-jährigen Jungen: Der Rückführung steht der Ausnahmetatbestand des Art. 13 I b HKÜ entgegen. Das Alter des Jungens führt zu einer unterschiedlichen Sichtweise bei den beiden Kindern. Bei einem gerade acht Jahre alt gewordenen Jungen ist noch nicht von einer hinreichenden geistigen Reife auszugehen, insoweit ist autonom zu entscheiden.
(Leitsätze von Livia Biasco, Köln)
Art. 5 Nr. 1 LugÜ: Kanzleisitz als Erfüllungsort bei Inlandsdienstleistung
LG Bremen 26.11.2021 – 4 S 166/21
Der Erfüllungsort zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit eines Gerichts gem. Art. 5 Nr. 1 LugÜ richtet sich auch in Fällen, in denen ein deutscher Anwalt über das Internet aus dem Ausland ein Mandat bekommt, danach, wo der Schwerpunkt der anwaltlichen Dienstleistung erbracht wird. Liegt dieser in Deutschland, sind die Gerichte am Kanzleisitz international zuständig.
(Leitsätze von Aaron Jeschor, Köln)
§ 110 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO: Keine Prozesskostensicherheit von deutschem Kläger mit UK-Wohnsitz
LG Kassel 20.10.2021 – 4 O 2227/17
1. Im Fall eines deutschen Klägers, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich und damit nach Ablauf des 31.12.2020 nicht mehr in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, besteht auch dann keine Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. Art. 9 EuNiederlAbk, wenn sich das Vereinigte Königreich vorbehalten hat, die Abs. 1 und 2 des Art. 9 EuNiederlAbk so anzuwenden, als seien die Worte „oder keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland haben" in Abs. 1 nicht enthalten. An diesen Vorbehalt sind deutsche Gerichte nicht gebunden.
2. Die Bundesrepublik hat das Abkommen ohne Vorbehalt ratifiziert und auch keine Erklärung zu dem Vorbehalt abgegeben, weshalb für deutsche Gerichte der Art. 9 Abs. 1 EuNiederlAbk seinem gesamten Wortlaut nach Gültigkeit besitzt und ein Sicherheitsverlangen weder an die Eigenschaft als Ausländer noch an den nicht vorhandenen Wohnsitz bzw. den nicht vorhandenen gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden darf.
(Leitsätze von Aaron Jeschor, Köln)
Art. 6 Rom I-VO bei Online-Spielvertrag
LG Köln 19.10.2021 – 16 O 614/20
1. Auf den jeweiligen Online-Spielvertrag ist gemäß Art. 6 Rom I-Verordnung deutsches Recht anzuwenden, da nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, er von seiner Wohnung in Köln aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-Casinospielen teilgenommen hat und die Abbuchungen über sein in Deutschland geführtes Girokonto erfolgten.
2. Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Rechtswahlklausel steht dem nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Rechtswahlklausel, mit dem maltesisches Recht gewählt wurde, wirksam in den Spielvertrag einbezogen wurde, denn die Vereinbarung der Anwendung von maltesischem Recht in den AGB der Beklagten ist wegen Verstoßes gegen die Richtlinie EG 93/13 (Klausel-RL) und wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) Rom II-VO unwirksam.
(Leitsätze von Livia Biasco, Köln)
Transparenzgebot bei Rechtswahl in AGB
LG Paderborn 8.7.2021 – 4 O 323/20
1. Zuständigkeitsvereinbarungen sind nur in den Grenzen des Art. 19 EuGVVO möglich. Die Zulässigkeit ist im Interesse des privilegierten Schutzes von Verbrauchern eingeschränkt. Hiernach können Zuständigkeitsvereinbarungen erst nach dem Entstehen der Streitigkeit vereinbart werden, Art. 19 Nr. 1 EuGVVO. Zuständigkeitsregelungen, die bereits in den Hauptvertrag aufgenommen werden, sind damit ausgeschlossen. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dagegen verstoßen sind nach Art. 25 Abs. 4 EuGVVO unwirksam.
2. Eine Rechtswahl, welche die ausschließliche Anwendung ausländischen Rechts versieht, muss hinreichend deutlich machen, dass andere anwendbare zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts anwendbar bleiben. Eine Regelung ist deshalb ohne aufklärende Hinweise wegen Verstoß gegen das in § 307 Absatz 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot unwirksam.
(Leitsätze von Aaron Jeschor, Köln)
Verhältnis von § 23 ZPO und Art. 5 EuGVVO
LG Frankfurt a.M. 1.12.2020 – 3-09 O 78/18
1. Nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO können die Parteien sowohl vereinbaren, dass für Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis die Gerichte eines Mitgliedsstaats zuständig sein sollen, als auch, dass ein bestimmtes Gericht zuständig sein soll. Ist nichts anderes vereinbart, schließt die Gerichtsstandsvereinbarung andere, nicht von ihr zugelassene Gerichte aus, Art. 25 Abs. 1 S. 2 EuGVVO.
2. Der Anwendung von § 23 ZPO steht nicht Art. 5 EuGVVO entgegen, der den Rückgriff auf das nationale Recht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit generell (Abs. 1) und für exorbitante Gerichtsstände im Besonderen (Abs. 2) ausschließt. Abs. 2 geht dabei in seinen Rechtsfolgen nicht über das hinaus, was nach Abs. 1 ohnehin gilt.
(Leitsätze von Livia Biasco, Köln)
Wirksamkeit einer Elternstellung ex lege der Ehefrau der Mutter
AG München 29.6.2021 – 528 F 12176/20
1. Eine nach dem anwendbaren ausländischen Recht kraft Gesetzes bestehende Elternstellung der Ehefrau der Mutter für das aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung mittels einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme geschaffene Kind ist im Inland anzuerkennen.
2. Das Familiengericht kann sich unmittelbar oder durch Vermittlung der deutschen Verbindungsrichter im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen an den jeweiligen ausländischen Verbindungsrichter wenden und um Auskunft zu dem in der Sache anwendbaren ausländischen Recht und dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis bitten.
(Leitsätze von RiKG Dr. Martin Menne, deutscher Verbindungsrichter im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen)
Erhöhte Mautgebühr als Strafschadensersatz und ordre public
AG München 3.4.2020 – 191 C 8294/19
1. Die ungarische Maut für die Straßenbenutzung wird auf zivilrechtlicher Grundlage erhoben, so dass der daraus sich ergebende Zahlungsanspruch vor einem deutschen Zivilrecht eingeklagt werden kann.
2. Die sich aus dem ungarischen Recht ergebende erhöhte Nachgebühr, die erhoben wird, wenn die einfache "Nachgebühr" nicht innerhalb von 30 Tagen bezahlt wird, stellt einen Strafschadensersatzanspruch dar, der mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar ist.
Normenmangel religiösen (hier: iranisch-jüdischen) Erbrechts
AG Hamburg-St.Georg 25.9.2019 – 970 IV 154/10, 970 VI 299/10
1. Für das iranisch-jüdische Erbrecht lassen sich im Hinblick auf die gesetzliche Erbfolge die Regelungen im 4. Buch Mose, Kap. 27 und 36, heranziehen. Die für schiitische Muslime geltenden Vorschriften sind dagegen nicht anwendbar.
2. Das iranische Recht sieht Regelungen für den Fall des Normenmangels vor, jedoch nicht für den Fall, dass der Inhalt eines religiösen Rechts nicht ermittelbar ist.
3. In Fällen der Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts (hier in Bezug auf die gewillkürte Erbfolge) wird grundsätzlich das deutsche Recht als Ersatzrecht jedenfalls dann herangezogen, wenn über das ausländische Recht keine Informationen zu erlangen sind und eine starke Inlandsbeziehung besteht.
Zur Annexzuständigkeit nach Art. 5 EuEheGüVO
OGH 21.10.2020 – 9 Ob 32/20a
1. Ein gemeinschaftliches Testament mit wechselseitigen Verfügungen stellt einen Erbvertrag i.S.d EuErbVO dar.
2. Die Annexzuständigkeit nach Art. 5 EuEheGüVO setzt daher voraus, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats nach der EuEheVO angerufen wurden.
(Leitsatz von Livia Biasco, Köln)