Heft 6/2018 (November 2018)

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vorgelegt (BT-Drucks. 19/4670, 19. Wahlperiode, 1.10.2018). Art. 17b Abs. 4 EGBGB a.F. wird durch die folgenden Abs. 4 und 5 EGBGB n.F. ersetzt. Art. 229 EGBGB wird ein neuer Paragraph angefügt, Art. 3 LPartG wird geändert. Nach Art. 17 des Gesetzes-Entwurfs soll es am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Art. 17b Abs. 4, Abs. 5 EGBGB-Entwurf

(4) Gehören die Ehegatten demselben Geschlecht an oder gehört ­zumindest ein Ehegatte weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht an, so gelten die Absätze 1 bis 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass sich das auf die Ehescheidung und auf die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht nach der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 richtet.

(5) Für die in Absatz 4 genannten Ehen gelten Artikel 13 Absatz 3, Artikel 17 Absatz 1 und 2, Artikel 19 Absatz 1 Satz 3, Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 sowie Artikel 46e entsprechend. Die Ehegatten können für die allgemeinen Ehewirkungen eine Rechtswahl gemäß Artikel 14 treffen.

Art. 229 § XX EGBGB-Entwurf

Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Auf gleichgeschlechtliche Ehen und eingetragene Lebenspartnerschaften, die vor dem 1. Oktober 2017 im Ausland nach den Sachvorschriften des Register führenden Staates wirksam geschlossen oder begründet ­worden sind, findet Artikel 17b Absatz 4 in seiner bis einschließlich
30. September 2017 geltenden Fassung keine Anwendung.

§ 1 LPartG-Entwurf

Lebenspartnerschaft

Nach dem 30. September 2017 können Lebenspartnerschaften zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts nicht mehr begründet werden. ­Dieses Gesetz gilt für

1. vor dem 1. Oktober 2017 in der Bundesrepublik Deutschland ­begründete Lebenspartnerschaften und

2. im Ausland begründete Lebenspartnerschaften, soweit auf sie deutsches Recht anwendbar ist.“

Neue UNCITRAL-Dokumente zur Mediation und zur Anerkennung und Durchsetzung von Urteilen mit Insolvenzbezug

Die UNCITRAL hat den Bericht über ihre 51. Sitzungszeit (25.6.–13.7.2018) veröffentlicht (abrufbar unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/commission/sessions/51st.html). Dem Bericht sind im Anhang Vorschläge zur Rechtsvereinheitlichung im Bereich der internationalen Mediation und der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen mit Insolvenzbezug beigefügt: United Nations convention on international settlement agreements resulting from mediation, UNCITRAL Model Law on International Commercial Mediation and International Settlement Agreements Resulting from Mediation und UNCITRAL Model Law on Recognition and Enforcement of Insolvency-Related Judgments.

Harter Brexit: Britische Informationen zur Zusammenarbeit in Zivilsachen

Am 13.9.2018 hat die britische Regierung als Teil einer Serie von Fachmitteilungen Leitlinien über die Zukunft der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen veröffentlicht. Sie stellen die britische Sicht für den Umgang mit zivilrechtlichen Fällen für den Fall dar, dass kein Brexit-Deal erreicht werden kann. Das Dokument ist abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/handling-civil-legal-cases-that-invo lve-eu-countries-if-theres-no-brexit-deal/handling-civil-legal-cases-that-involve-eu -countries-if-theres-no-brexit-deal.

Haager Gerichtsstandsübereinkommen: Beitritt Montenegros

Am 23.8.2018 wurde das Ständige Büro der Haager Konferenz informiert, dass Montenegro bereits am 18.4.2018 seine Beitrittsurkunde zum Haager Gerichtsstandsübereinkommen vom 30.6.2005 bei der Regierung der Niederlande als Depositar hinterlegt hat. Das Abkommen ist für Montenegro damit am 1.8.2018 in Kraft getreten. Nachdem es am 1.9.2018 auch für Dänemark in Kraft getreten ist (s. IPRax 5/2018, II), hat das Abkommen nun 32 Mitglieder, einschließlich einer Organisation für regionale Wirtschaftsintegration.

Art. 8 EuEheVO: Rein objektiv-faktischer Aufenthaltsbegriff – physische Präsenz
erforderlich

EuGH 17.10.2018 – Rs. C-393/18 PPU – UD ./. XB

Article 8(1) of Council Regulation (EC) No 2201/2003 of 27 November 2003 concerning jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in matrimonial matters and the matters of parental responsibility, repealing Regulation (EC) No 1347/2000, must be interpreted to the effect that a child must have been physically present in a Member State in order to be regarded as habitually resident in that Member State, for the purposes of that provision. Circumstances such as those in the main proceedings, assuming that they are proven, that is to say, first, the fact that the father’s coercion of the mother had the effect of her giving birth to their child in a third country where she has resided with that child ever since, and, secondly, the breach of the mother’s or the child’s rights, do not have any bearing in that regard.

Anwendungsbereich des Art. 15 EuEheVO bei gerichtlicher Sorgerechtsverweisung

EuGH 4.10.2018 – Rs. C-478/17 – IQ ./. JP

Art. 15 der EuEheVO ist dahin auszulegen, dass er in einer ­Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die beiden angerufenen Gerichte nach Art. 12 bzw. 8 dieser Verordnung für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sind, nicht anwendbar ist.

Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO: Gläubigeranfechtungsklage im Vertragsgerichtsstand mit Dritten

EuGH 4.10.2018 – Rs. C-337/17 – Feniks sp. z o.o. ./. Azteca Products & Services SL

Eine Gläubigeranfechtungsklage, mit der der Inhaber einer auf einem Vertrag beruhenden Forderung in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden beantragt, ihm gegenüber eine für seine Ansprüche angeblich nachteilige Handlung für unwirksam zu erklären, mit der sein Schuldner ein Rechtsgut an einen Dritten übertragen hat, fällt unter die in Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO vorgesehene Regelung der internationalen Zuständigkeit.

Art. 38 EuGVVO: Keine nationale Vollziehungsfrist

EuGH 4.10.2018 – Rs. C-379/17 – Società Immobiliare Al Bosco Srl

Art. 38 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines Arrestbefehls eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen Arrestbefehl geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im Vollstreckungsmitgliedstaat Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.

Art. 4 Abs. 3 HUP: Abweichung von der Aufenthaltsanknüpfung nur für den
Berechtigten

EuGH 20.9.2018 – Rs. C-214/17 – Alexander Mölk ./. Valentina Mölk

1. Art. 4 Abs. 3 HUP ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, wie dem, um den es im Ausgangsverfahren geht, wo der zu zahlende Unterhaltsbeitrag auf Antrag der berechtigten Person gemäß Art. 4 Abs. 3 des Haager Protokolls rechtskräftig nach dem am Ort des angerufenen Gerichts geltenden Recht festgesetzt worden ist, dieses Recht nicht auch für einen Antrag auf Herabsetzung des festgesetzten Unterhaltsbeitrags maßgeblich ist, den die verpflichtete Person in der Folge bei einem Gericht des Staates, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gegen die berechtigte Person stellt.

2. Art. 4 Abs. 3 des Haager Protokolls vom 23.11.2007 ist dahin auszulegen, dass die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der verpflichteten Person nicht im Sinne dieser Bestimmung „anruft“, wenn sie sich auf ein von der verpflichteten Person bei dieser Behörde eingeleitetes Verfahren im Sinne des Art. 5 der EuUnterhVO durch Bestreiten in der Sache einlässt.

Auslegung des Art. 33 EuEheVO im Licht von Art. 47 GRCh

EuGH 19.9.2018 – verb. Rs. C-325/18 PPU, C-375/18 PPU – Hampshire County Council ./. C.E., N.E.

1. Die allgemeinen Vorschriften von Kapitel III EuEheVO sind dahin auszulegen, dass, wenn geltend gemacht wird, dass Kinder widerrechtlich verbracht wurden, die Entscheidung eines Gerichts des Mitgliedstaats, in dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, mit der die Rückgabe dieser Kinder angeordnet wird und die auf eine Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung folgt, im Aufnahmemitgliedstaat gemäß diesen allgemeinen Vorschriften für vollstreckbar erklärt werden kann.

2. Art. 33 Abs. 1 EuEheVO ist im Licht von Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens der Vollstreckung einer Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats entgegensteht, mit der die Vormundschaft für Kinder sowie die Rückgabe dieser Kinder angeordnet wird und die im ersuchten Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt wurde, bevor die Zustellung der Vollstreckbarerklärung dieser Entscheidung an die betroffenen Eltern vorgenommen wurde. Art. 33 Abs. 5 der EuEheVO ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift ­vorgesehene Rechtsbehelfsfrist nicht vom angerufenen Gericht verlängert werden kann.

3. Die EuEheVO ist dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens dem nicht entgegensteht, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats Schutzmaßnahmen in Form einer Anordnung gegen eine Behörde eines anderen Mitgliedstaats erlässt, mit denen dieser Behörde untersagt wird, vor den Gerichten dieses anderen Mitgliedstaats ein Verfahren zur Adoption von Kindern, die sich dort aufhalten, einzuleiten oder fortzuführen.

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2001: Zurück zum Sitz der Bank als Erfolgsort bei Kapital­-
anlagedelikten

EuGH 12.9.2018 – Rs. C-304/17 – Löber ./. Barclays Bank plc

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ein Anleger eine Klage auf Haftung aus unerlaubter Handlung gegen eine Bank, die ein Zertifikat ausgegeben hat, in das er investiert hat, wegen des Prospekts zu diesem Zertifikat erhoben hat, die Gerichte des Wohnsitzes dieses Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, im Sinne dieser Bestimmung für die Entscheidung über diese Klage zuständig sind, wenn sich der behauptete Schaden, der in einem finanziellen Verlust besteht, unmittelbar auf einem Bankkonto dieses Anlegers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht hat und die anderen spezifischen Gegebenheiten dieser Situation ebenfalls zur Zuweisung der Zuständigkeit an diese Gerichte beitragen.

Formenstrenge bei der Auslegung der EuMahnVO und EuZustVO

EuGH 6.9.2018 – Rs. C-21/17 – Catlin Europe SE ./. O.K. Trans Praha spol. s r.o.

Die Verordnung EuMahnVO sowie die EuZustVO sind dahin auszulegen, dass, wenn ein Europäischer Zahlungsbefehl dem Antragsgegner zugestellt wird, ohne dass der ihm beigefügte Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls in einer Sprache abgefasst wurde, von der anzunehmen ist, dass er sie versteht, oder ihm eine Übersetzung in einer solchen Sprache beigefügt wurde, wie es Art. 8 Abs. 1 der EuZustVO verlangt, der Antragsgegner ordnungsgemäß mittels des Formblatts in Anhang II dieser Verordnung von seinem Recht in Kenntnis gesetzt werden muss, die Annahme des in Rede stehenden Schriftstücks zu verweigern.

Im Fall der Nichtbeachtung dieser Förmlichkeit ist das Verfahren gemäß den Bestimmungen der letztgenannten Verordnung ­dadurch zu berichtigen, dass dem Betroffenen das Formblatt in Anhang II dieser Verordnung übermittelt wird.

In diesem Fall wird wegen des Verfahrensfehlers, der die Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls zusammen mit dem ­Antrag auf dessen Erlass beeinträchtigt, dieser Zahlungsbefehl nicht vollstreckbar und beginnt die Einspruchsfrist für den Antragsgegner nicht zu laufen, so dass Art. 20 EuMahnVO keine Anwendung finden kann.

Art. 14 Rom I-VO: Drittwirkungen bei Mehrfachabtretung

Vorabentscheidungsersuchen des Saarländischen OLG an den EuGH
8.8.2018 – 4 U 109/17

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 14 der Rom I-VO auf die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretung anwendbar?

2. Sofern die erste Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

3. Sofern die erste Frage zu verneinen ist: Findet die Bestimmung entsprechende Anwendung?

4. Sofern die dritte Frage zu bejahen ist: Welchem Recht unterliegen in diesem Fall die Drittwirkungen?

Ausländische Leihmutterschaftsentscheidung zugunsten der Wunscheltern: Kein Verstoß gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public

BGH 5.9.2018 – XII ZB 224/17

1. Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, die im Fall der Leihmutterschaft den Wunscheltern die rechtliche ­Elternstellung zuweist, kommt es nicht auf den nationalen ordre public nach Art. 6 EGBGB, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public an.

2. Entscheidend dafür, ob ein Verstoß gegen den ordre public besteht, ist das Kindeswohl, das sich in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK, insbesondere dem Recht auf rechtliche Zuordnung, widerspiegelt. Das nach dem Recht des Heimatstaates der Leihmutter nicht wirksame und damit hinkende Verwandtschaftsverhältnis zur Leihmutter einerseits und die Kontinuität des sozialen Umfelds und ein Heranwachsen im Haushalt der Wunscheltern andererseits genügen dem nicht.

3. Die Anerkennung der rechtlichen Zuordnung des ausländischen Gerichts darf nicht allein aus generalpräventiven Erwägungen versagt werden.

(Leitsätze von Susanne Deißner)

Anerkennungsrechtlicher ordre public: Polnisches Urteil auf Verurteilung deutscher Rundfunkanstalt zur Entschuldigung

BGH 19.7.2018 – IX ZB 10/18

Die Vollstreckung eines Urteils, welches der verurteilten Fernsehanstalt aufgibt, eine nach Ansicht des Gerichts des Urteilsstaats in einer Äußerung enthaltene Geschichtsverfälschung zu bedauern und sich für eine nach Ansicht des Gerichts des Urteilsstaats hierin zu sehende Persönlichkeitsrechtsverletzung zu entschuldigen, verstößt offenkundig gegen das Grundrecht auf negative Meinungsfreiheit und gegen den deutschen ordre public.

Inländische Zwangshypothek und ausländische Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung

OLG München 4.10.2018 – 34 Wx 240/18

Eine Zwangshypothek, die auf der Grundlage einer in der Bundesrepublik Deutschland als Vollstreckungsstaat in Bezug auf einen ausländischen Titel erteilten Vollstreckungsklausel eingetragen wurde, ist nicht wegen (angeblich) fehlenden Vollstre­ckungstitels nichtig, wenn die im Exequaturverfahren vorgelegte ausländische Vollstreckbarkeitsbestätigung im Eintragungszeitpunkt durch eine im Herkunftsstaat ergangene Entscheidung aufgehoben war.

Qualifikation des Schuldanerkenntnisses I

OLG Oldenburg 28.9.2018 – 11 U 41/17 (nicht rechtskräftig)

1. Zum Zeitpunkt der Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit.

2. Zur Vollstreckungsfähigkeit polnischer notarieller Vereinbarungen.

3. Auf ein in einem Mitgliedstaat zustande gekommenes deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist deutsches Recht anwendbar, wenn die in Bezug genommenen Kaufverträge in Deutschland zustande gekommen sind. Dies gilt gleichermaßen für einen im Ausland erklärten Schuldbeitritt.

4. Zum anwendbaren Recht eines in einem Mitgliedstaat zustande gekommenen Schuldanerkenntnis mit (teil-)konstituierender Wirkung.

5. Keine Verböserung in der Berufungsinstanz bei Entfallen der gesamtschuldnerischen Haftung von Bürgen und Hauptschuldner.

Art. 9 Abs. 3 Rom-I-VO und kuwaitisches Israel-Boykott-Gesetz

OLG Frankfurt 25.9.2018 – 16 U 209/17

Dem kuwaitischen Einheitsgesetz zum Israel-Boykott ist in der Bundesrepublik Deutschland als Eingriffsnorm nach Art. 9 Abs. 3 Rom-I-VO keine Wirkung zu verleihen. Die faktische Existenz dieser Verbotsnorm und ihre Auswirkungen bilden jedoch bei der Flugbeförderung eines israelischen Staatsbürgers mit Zwischenstopp auf kuwaitischem Staatsgebiet ein tatsächlich entgegenstehendes Leistungshindernis. Gleiches gilt für das Fehlen der vom kuwaitischen Staat vorgeschriebenen Reisedokumente.

Art. 12 Abs. 1 HKÜ: Zurückgenommener Rückführungsantrag eröffnet keine neue Jahresfrist

OLG Nürnberg 13.9.2018 – 7 UF 931/18

Ein wirksam zurückgenommener Rückführungsantrag nach
Art. 12 Abs. 1 HKÜ hat bei späterer erneuter Stellung eines Rückführungsantrages auf den Lauf der Jahresfrist gemäß Art. 12
Abs. 2 HKÜ keine Auswirkung. Nach erfolgter Rücknahme gilt das Verfahren als von Anfang an (ex tunc) nicht anhängig gewesen.

Restgesellschaft: Rechtliche Behandlung gelöschter Auslandsgesellschaft bei
Inlandsvermögen

KG 5.9.2018 – 22 W 22/18

1. Das Registergericht kann einem Antragsteller bei bestehendem, nicht beseitigungsfähigen Eintragungshindernis nicht durch Zwischenverfügung die Rücknahme des Antrages aufgeben. Der Antrag ist vielmehr zurückzuweisen

2. Verliert eine Gesellschaft ausländischen Rechts infolge der Löschung im Register ihres Heimatstaates ihre Rechtsfähigkeit, besteht sie für ihr in Deutschland belegenes Vermögenselbst dann fort, wenn dies nur dem Zweck der Liquidation dient.

3. Für eine solche Restgesellschaft kann ein Vertretungsorgan bestellt werden.

4. Zu den vorrangig an praktischen Bedürfnissen zu messenden Lösungen kann zur Bewältigung von Abwicklungsmaßnahmen bei ursprünglich körperschaftlich strukturierten Gesellschaften die Bestellung eines Nachtragsliquidators gehören.

(Mitgeteilt von RIKG Dr. P. Sdorra

§ 10 AUG und Übersetzungskosten

Brandenburgisches Oberlandesgericht 29.8.2018 – 13 WF 131/18

1. Im Anwendungsbereich des § 10 AUG kommt der Ansatz von Übersetzungskosten als Ersatzvornahme nur nach vorangegangenen erfolgloser Übersetzungsaufforderung in Betracht.

2. Im Anwendungsbereich der EuZustVO entscheidet nach
Art. 5 EuZustVO über die Beifügung einer Übersetzung die antragstellende Person bindend nach regelmäßig erforderlicher Belehrung gemäß Abs. 1; die Belehrung hat über die Tragung von Übersetzungskosten zu informieren.

Öffentliche Auslandszustellung nur mit paralleler E-Mail-Information

Hanseatisches Oberlandesgericht 25.5.2018 – 8 U 51/17

1. Wenn bei einer Zustellung ins Ausland der Aufenthalt des Zustellungsempfängers bekannt ist, er mit modernen Kommunikationsmitteln erreichbar ist und er diese in der Vergangenheit – für das Gericht erkennbar – regelmäßig im Geschäftsverkehr genutzt hat, ist es für die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nach § 185 Abs. 3 ZPO erforderlich, dass er parallel zu der öffentlichen Zustellung über diese informellen Informationswege von dem zuzustellenden Schriftstück, insbesondere von einem gegen ihn ergangenen Versäumnisurteil in Kenntnis gesetzt wird.

2. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23
Abs. 1 S. 3 EuGVVO 2001 kommt nicht zustande, wenn die in einseitig gestellten Bestellbestätigungen und Rechnungen enthaltene Klausel („Hamburg is place of jurisdiction“) in sehr kleiner Schriftgröße gehalten ist, dadurch hinter die übrigen, in größerer Schrift gehaltenen vertragsrelevanten Bedingungen in kaum wahrnehmbarer Weise zurücktritt und sich auch räumlich losgelöst von den übrigen vertragsrelevanten Bedingungen in der Fußzeile unterhalb der Unterschriften befindet. Dies gilt auch dann, wenn ein entsprechendes Rechnungsformular im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung wiederholt verwendet worden ist, sofern es in der Vergangenheit nie zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien gekommen ist.

3. Ist die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung der Klage für den Kläger erkennbar, wird durch sie keine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB bewirkt.

(Mitgeteilt von den Mitgliedern des 8. Zivilsenats)

Zustellung an Facebook in Irland auch ohne Übersetzung

LG Offenburg 26.9.2018 – 2 O 310/18

Die Zustellung einer Antragsschrift in deutscher Sprache an das in Irland ansässige Unternehmen Facebook Ireland Ltd. ist wirksam. Die Verweigerung der Annahme wegen einer fehlenden englischen Übersetzung ist rechtsmissbräuchlich (Anschluss AG Berlin, Urteil v. 8.3.2017, 15 C 364/16).

Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zur Auslegungsoptimierung?

AG Hamburg-Wandsbeck Beschluss 17.5.2018 – 709 VI 2263/17

Ein Testament, das vor Inkrafttreten der EuErbVO errichtet wurde, kann ausnahmsweise gemäß Art. 21 Abs. 2 EuErbVO – insbesondere bei Hinzutreten weiterer, für eine engere Beziehung sprechender Umstände – nach der Rechtsordnung auszulegen sein, die zum Errichtungszeitpunkt dafür maßgeblich gewesen wäre, auch wenn die EuErbVO ein anderes nationales Recht zur Anwendung bestimmt und der Erbfall nach Inkrafttreten der EuErbVO eingetreten ist.

(Leitsatz von Susanne Deißner)

Vertragliche Qualifikation von Schadensersatzanspruch gegen Reiseveranstalter bei Betriebsausflug

England & Wales Court of Appeal 9.8.2018 – Committeri v Club Mediterranee SA (t/a Club Med Business) [2018] EWCA Civ 1889

Zur Qualifikation eines Anspruchs auf Schadensersatz gegen den Veranstalter eines Betriebsausflugs, mit dem der Arbeitgeber zu Gunsten des verletzten Arbeitnehmers einen Vertrag geschlossen hatte, als vertraglich im Sinne der Rom I-VO.

(Mitgeteilt von Tobias Lutzi, Köln)

© Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH, 2024