Heft 6/2016 (November 2016)
Einführungsgesetz zur Insolvenzverordnung
Das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz hat am 27.7.2016 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren vorgelegt. Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen Art. 102c EGInsO (Einführungsgesetz zur Insolvenzverordnung) vor, der sich an den geltenden Bestimmungen des
Art. 102 EGInsO orientiert und dabei die Ergänzungen und Änderungen berücksichtigt, die die Neufassung im Vergleich zur geltenden Fassung erfahren hat. Er enthält insbesondere Bestimmungen zu den in der Neufassung erstmals vorgesehenen Rechtsbehelfen und gerichtlichen Entscheidungen, zur örtlichen Zuständigkeit bei sogenannten Annexverfahren, zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten der „synthetischen“ Abwicklung von Sekundärinsolvenzverfahren und zu Einzelfragen bei der Bewältigung der Insolvenz der Mitglieder von Unternehmensgruppen. Der Entwurf ist abrufbar unter https:// ^www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Verordnung_ueber_Insolv enzverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
Portugal: Leihmutterschaft partiell erlaubt
In Portugal tritt künftig eine neue Leihmutterschaftsgesetzgebung in Kraft, welche dem griechischen Modell ähnlich ist und es Frauen, welche nicht in der Lage sind, ein Kind selbst auszutragen, erlaubt, den Embryo durch eine Leihmutter austragen zu lassen (Leihmutterschaft als Residualfortpflanzungsmöglichkeit und nicht als gleichwertiges Kinderbeschaffungsinstrument). Mehr Informationen hierzu in: de Oliviera, Changes in Portuguese Family Law 2015–2016, FamRZ 2016, 1550–1553.
(Mitgeteilt von Herrn Dr. Chris Thomale, Heidelberg)
Rom III-VO gilt ab 11.2.2018 auch für Estland
Zukünftig wird auch Estland an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-Verordnung) teilnehmen, wodurch sich die Zahl der teilnehmenden Mitgliedstaaten auf siebzehn erhöht. Zuvor hatten bereits Litauen und Griechenland sich den ursprünglich vierzehn teilnehmenden Mitgliedstaaten angeschlossen, sodass der Verordnung nun eine klare Mehrheit der Mitgliedstaaten beigetreten ist. Der Beschluss der Kommission vom 10.8.2016 ist in ABl. 2016 L 216/23 veröffentlicht. Die Rom III-Verordnung wird in Estland am 11.2.2018 in Kraft treten.
Kein Zwang zur Anerkennung von Kinderehen
EGMR 8.12.2015 – 60119/12 – Z.H. and R.H. v. Schweiz
Zur Verpflichtung der Anerkennung von Kinderehen. Keine Verletzungen der Rechte auf Familienleben und auf Eheschließung (Art. 8 und 12 EMRK)
(Mitgeteilt von Herrn Dr. Chris Thomale, Heidelberg)
Art. 16 EuEheVO: Verordnungsautonome Bestimmung des Anhängigkeitszeitpunkts
EuGH 22.6.2016 – Rs. C-173/16 – M.H. ./. M.H.
Art. 16 Abs. 1 lit. a EuEheVO ist dahin auszulegen, dass der „Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde“, im Sinne dieser Vorschrift der Zeitpunkt ist, zu dem die Einrei chung bei dem betreffenden Gericht erfolgt, auch wenn durch die Einreichung als solche nicht sofort das Verfahren nach nationalem Recht eingeleitet wird.
Art. 22 Nr. 4 EuGVVO 2001 und Benelux-Markenregister
Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf 14.6.2016 – I-20 U 104/15, 20 U 104/15
Das OLG Düsseldorf legt dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Umfasst der Begriff eines Rechtsstreits im Sinne des Art. 22 Nr. 4 EuGVVO 2001, der „die Eintragung oder die Gültigkeit von Marken [. . .] zum Gegenstand [hat]“, auch eine Klage gegen die in das Benelux-Markenregister eingetragene formelle Markeninhaberin einer Benelux-Marke gerichtet auf eine Erklärung gegenüber dem Benelux-Markenamt, dass die Beklagte hinsichtlich der betreffenden Marke Nichtberechtigte sei und auf die Eintragung als Markeninhaberin verzichte.
Samenspender und Abstammungsstatut
BGH 24.8.2016 – XII ZB 351/15
1. Begehrt ein Samenspender die Feststellung seiner Vaterschaft für einen im Ausland extrakorporal aufbewahrten Embryo, so bestimmt sich das anzuwendende Recht allein entsprechend Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach dem Personalstatut des Samenspenders.
2. Vor der Geburt des Kindes ist nach deutschem Recht eine Vaterschaftsfeststellung ebenso wenig möglich wie die Zuerkennung eines vergleichbaren rechtlichen Status.
(Mitgeteilt von Dr. Susanne Gössl, Bonn)
Prozesskostensicherheit und Gesellschaftssitz
BGH 21.6.2016 – X ZR 41/15
1. Hat eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesem Mitglied- oder Vertragsstaat, ist sie jedenfalls dann nicht verpflichtet, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, wenn sämtliche Orte, an die zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes angeknüpft werden könnte, ebenfalls in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegen.
2. Der aufgrund neuer, in ihrem Einflussbereich eingetretener tatsächlicher Umstände obsiegenden Partei können Kosten des Rechtsmittelverfahrens nur dann auferlegt werden, wenn sie dadurch gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat, dass sie diese Umstände nicht bereits in einem früheren Rechtszug herbeigeführt hat.
Art. 7 Nr. 2 EuGVVO gilt nicht für Feststellungsklagen betreffend das Fahrzeugeigentum des Geschädigten
OLG Hamm 20.6.2016 – I-5 U 140/15, 5 U 140/15
Normzweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO (früher Art. 5 Nr. 3 EuGVVO 2001) ist, dass sich der Schädiger wegen der größeren Beweisnähe und der häufigen Rechtsnähe am Ort der Tat rechtfertigen soll. Die hier verklagte ursprüngliche Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist aber sowohl in Ita lien wie auch in Deutschland Geschädigte der in Rede stehenden unerlaubten Handlung gewesen. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO nicht zu vereinbaren, dass ausgerechnet sie sich nunmehr vor dem Landgericht Essen auf Feststellung des Eigentums an dem Fahrzeug verklagen lassen muss.
IPR des Schenkungsvertrags
OLG Brandenburg 9.6.2016 – 5 U 60/14
1. Gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO 2001 kann die Beklagte, die ihren Wohnsitz in Spanien hat, vor einem deutschen Gericht verklagt werden, da die den Gegenstand des Verfahrens betreffende Verpflichtung in Deutschland zu erfüllen ist.
2. Auf den Schenkungsvertrag in Form eines Übertragungsvertrages über Rechte an einem Grundstück ist nach Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO deutsches Recht anzuwenden. Der Rückgewähranspruch bei Grundstücksübertragungen ist nach deutschem Recht an dem Ort zu erfüllen, wo das Grundstück belegen ist.
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Beweis der Authentizität eines chinesischen Schiedsspruchs
OLG München 30.5.2016 – 34 Sch 3/15
1. Hat die Antragstellerin, eine in der Volksrepublik China ansässige Gesellschaft in der Rechtsform der „Limited“, keine ausreichend legalisierte Urschrift bzw. beglaubigte Abschrift des chinesischen Schiedsspruchs vorgelegt, muss dem Antrag auf dessen Vollstreckbarerklärung der Erfolg versagt bleiben.
2. Für den von der Antragstellerin zu erbringenden Beweis der Authentizität des Schiedsspruchs, dessen Echtheit seitens der Antragsgegner bestritten wurde, ist die Vorlage entsprechender legalisierter Unterlagen (Art. IV Abs. 1 lit. a SchSprAnerkÜbk) erforderlich.
3. Eine amtliche Bestätigung der Authentizität der Unterschriften der Schiedsrichter durch einen deutschen Notar, einen deutschen konsularischen Vertreter oder – soweit zwischenstaatliche Abkommen über die wechselseitige Anerkennung von Beurkundungsstaaten existieren – einen ausländischen Notar oder sonstige anerkannte Beurkundungspersonen wäre für den Nachweis der Echtheit erforderlich.
Abänderung eines polnischen Verbundurteils über Kindesunterhalt
OLG Frankfurt 20.5.2016 –4 UF 333/15
Zu den Voraussetzungen der Abänderung eines in der Republik Polen im Verbund mit der Ehescheidung der Eltern ergangenen Urteils über den Kindesunterhalt.
Deutsch-polnische Kindesentführung
AG Hamm 13.6.2016 – 3 F 89/16
Zur Rückführung eines Kindes nach Polen zum Vater wegen der widerrechtlichen Verbringung durch die Kindesmutter sowie zur Frage der Beeinträchtigung des Kindeswohls durch die Entführung.
Englische Restschuldbefreiung: Intertemporales Insolvenzrecht und ordre public
VG Wiesbaden 19.4.2016 – 1 K 260/14.WI
1. Die Wirksamkeit einer in Großbritannien durch den Canterbury County Court erteilten Restschuldbefreiung in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt sich für die Zeit vom 31.5.2012 bis 24.6.2015 allein nach der in diesem Zeitraum gültigen EuInsVO (2002).
2. Allein die Vorteile, die das englische Insolvenzrecht dem EU-Bürger möglicherweise bietet, insbesondere die Möglichkeit, schneller als in Deutschland eine Restschuldbefreiung zu erlangen, genügen für die Annahme, es läge ein Verstoß gegen den ordre public vor, gerade nicht (Anschluss: OVG Bautzen, 16.5.2014, 5 A 754/11).
3. Die angebliche rechtsmissbräuchliche Erschleichung der Zuständigkeit eines englischen Gerichts für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens durch Vorgabe der Verlegung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen stellt keinen Verstoß gegen den ordre public dar.
Immunität von Zentralbanken und Geldpolitik
OGH 17.8.2016 – 8 Ob 68/16g
Das Urteil betrifft die Frage des Umfangs der Immunität von Zentralbanken. Nach der Auffassung des OGH gehört die Informationspolitik der Beklagten in Bezug auf geldpolitische Entscheidungen und Absichten zu deren hoheitlichen Tätigkeitsbereich bzw. steht jedenfalls damit in einem engen und untrennbaren Zusammenhang, sodass die Klage – da der Kläger seinen Anspruch aus solchen Maßnahmen der Beklagten ableitet – sich auf hoheitliches Handeln bezieht und dem Beklagten daher Immunität i.S.d. Art. 27 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität zukommt.
(Mitgeteilt von Prof. Dr. August Reinisch, Wien)
Nichterfüllung einer Geldzahlungspflicht als Erfolgsort
OGH 24.5.2016 – 4 Ob 112/16y
Nach § 907a Abs. 1 ABGB i.d.F. ZVG BGBl. I 2013/50, ist eine Geldschuld am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen. Geldschulden sind somit Bringschulden. Ort des schädigenden Unterlassens ist daher bei einer Verletzung der Zahlungspflicht die in Österreich gelegene Niederlassung des Gläubigers. Nach der Rechtsprechung des EuGH bezieht sich die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes, weil diesem dort ein finanzieller Schaden durch den in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen und erlittenen Verlust von Vermögensbestandteilen entstanden sein soll. Entscheidend ist, wo sich „sämtliche Tatbestandsmerkmale der Haftung“ verwirklicht haben.
(Mitgeteilt von Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Hoyer, Wien)
Ausländisches Recht und astreinte vor US-Gericht
United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, 26.9.2016 – Nr. 14-15790 – Vincent Sicre de Fontbrune et al. v. Alan Wofsy et al.
Zu Frage der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts in den USA und die Qualifikation einer astreinte als anerkennbare Entscheidung.
(Mitgeteilt von Dr. Susanne Gössl, Bonn)