Heft 3/2016 (Mai 2016)

Auslobung des Dr. Otto Schmidt Preises

Die Stiftung des Dr. Otto Schmidt Preises verleiht dieses Jahr den nach ihr benannten „Dr. Otto Schmidt Preis zur Förderung der Europäisierung und der Internationalisierung des Rechts“. Der Preis ist mit 5.000,– e dotiert. Durch die Verleihung des Preises soll dazu beigetragen werden, die aktive Einbeziehung der europäischen und der internationalen Rechtsentwicklung in die deutsche Rechtswissenschaft und ihre Veröffentlichungen zu fördern. Die preisverleihende Jury – bestehend aus den Herren Profes. Dr. Martin Henssler, Dr. Heinz-Peter Mansel und Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön – formuliert für das Jahr 2016 das aktuelle Thema Grundfreiheiten und Kohärenz. Sie lädt Lehrstuhlinhaber ein, Studenten, Assistenten, Doktoranden oder andere, dem Lehrstuhl nahe stehende, junge Wissenschaftler als Kandidaten zu benennen. Der Umfang der Arbeiten ist begrenzt auf ca. 60.000 Zeichen (ohne Leerzeichen), da diese im Anschluss in Fachzeitschriften veröffentlicht werden sollen. Die Bewertung der Arbeiten erfolgt durch die Jury. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen einer Veranstaltung des Verlages Dr. Otto Schmidt. Bewerbungen richten Sie bitte bis 31.7.2016 an: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Herrn Prof. Dr. Felix Hey, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln. Die Arbeiten sowie die Angaben zu Ausbildung und bisherigen Tätigkeiten des Bewerbers/des Vorgeschlagenen sind in digitaler Form (ggf. als ZIP-Datei) einzureichen: gf-hey@otto-schmidt.de.

Auslobung des Gerhard Kegel-Preises

Bei ihrer kommenden Zweijahrestagung in Berlin am 15.–17.3.2017 wird die Deutsche Gesellschaft für Internationales Recht je einen Preis für eine hervorragende Dissertation im Völkerrecht und im Internationalen Privatrecht verleihen („Hermann Mosler-Preis“ und „Gerhard Kegel-Preis“). Jedes Mitglied der Gesellschaft ist berechtigt und eingeladen, eine Preisträgerin bzw. einen Preisträger vorzuschlagen. Vorschläge können bis 30.9.2016 eingereicht werden (bitte möglichst ­zusammen mit den einschlägigen Gutachten). Vorgeschlagene Arbeiten müssen zwischen 1.9.2014 und 30.9.2016 erschienen oder zur Publikation angenommen worden sein. Vorschläge bitte an: Prof. Dr. Georg Nolte, Juristische Fakultät der Humboldt-Universität, Unter den Linden 9, 10099 Berlin oder Prof. Dr. Anne Peters, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg.

Verstärkte Zusammenarbeit im internationalen Güterrecht der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft

Auf Antrag von 17 Mitgliedstaaten hat die Europäische Kommission am 2.3.2016 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen der Güterstände internationaler Paare (eheliche Güterstände und Güterstände eingetragener Partnerschaften) (KOM[2016] 108 endg.) verabschiedet. Zuvor war der Rat zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich wäre, eine Einigung über den Erlass einer Verordnung erzielen zu können. Die Kommission hat darüber hinaus nun getrennt Vorschläge für Verordnungen des Rates über eheliche Güterstände (KOM[2016] 106 endg.) und über die Güterstande eingetragener Lebenspartner (KOM[2016] 107 endg.) verabschiedet, die der Implementierung der beantragten Verstärkten Zusammenarbeit dienen sollen. Verordnung zur Freizügigkeit von öffentlichen Personenstandsurkunden

Am 1.2.2016 hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments eine „Stellungnahme zur Rechtsgrundlage des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter ­öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (COM [2013]0228 – C7-0111/2013 – 2013/0119 [COD])“ veröffentlicht. Der Vorschlag stützt sich nur noch auf Artikel 21 Absatz 2 AEUV. Da sich der Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags ausschließlich auf öffentliche Personenstandsurkunden beschränkt und unternehmensspezifische Urkunden ausschließt, wurde Artikel 114 Absatz 1 AEUV als Rechtsgrundlage gestrichen.

Mindeststandards des Zivilverfahrens in der Europäischen Union

Am 21.12.2015 hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments ein Arbeitsdokument zur Entwicklung gemeinsamer Mindeststandards des Zivilverfahrens in der Europäischen Union (PE572.853v01-00) veröffentlicht. Dabei gibt die Berichterstatterin Emil Radev einen Überblick über den Umfang der Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union im Bereich des Zivilprozessrechts und beschreibt darauf aufbauend die Möglichkeiten der Harmonisierung von inländischen Zivilverfahren.

IPR-Nachwuchswissenschaftler-Tagung: Call for Papers

Die Jungen IPRler fordern zu Bewerbungen für halbstündige Referate auf der Tagung mit dem Generalthema „Politik und Internationales Privatrecht (?)“ am 6./7.4.2017 in Bonn auf. Exposés von maximal 1000 Wörtern müssen bis zum 30.6.2016, 24:00 Uhr MEZ (anonymisiert, Identität separat ausgewiesen) bei nachwuchs-ipr@institut-familienrecht.de eingehen. Bis zum 31.3.2017 müssen eine vorläufige Version des ausformulierten Beitrags (35.000-50.000 Zeichen inkl. Fußnoten) und der Kernthesen vorliegen. Die Beiträge werden in einem Tagungsband im Mohr Siebeck Verlag veröffentlicht. Weitere Informationen finden sich auf der Seite des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn (www.institut-familienrecht.de). Rückfragen können gerne an Frau Dr. Susanne Gössl, LL.M. (Tulane), sgoessl@uni-bonn.de, gerichtet werden.

Swiss International Law School: International Commercial Law and Dispute ­Resolution  

Im Jahre 2014 wurde die Swiss International Law School (SiLS) gegründet, um auf die zunehmende Globalisierung der juristischen Berufe zu reagieren. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, junge Juristen zum „global lawyer“ auszubilden, und bietet dafür seit 2015 einen LL.M. in International Commercial Law and Dispute Resolution an. Es wird auf Englisch unterrichtet. Der gesamte Kurs findet online statt. Dies ermöglicht eine Teilnahme von Studierenden, die ihren Wohnort nicht verlassen können oder wollen. Der SiLS LL.M. umfasst vier Module, die über jeweils 20 Wochen angelegt und mit ca. je 20 Stunden Arbeits aufwand pro Woche verbunden sind (Gesamtumfang: 60 ECTS). Sie decken die wichtigsten Bereiche des internationalen Handels- und Wirtschaftsrechts ab. Interaktives Lernen wird sichergestellt durch wöchentliche live chats, team work und das online discussion board. Der SiLS LL.M. kann in einem Jahr (Vollzeit) oder in zwei Jahren (Teilzeit) absolviert werden. Er eignet sich damit besonders auch für Referendare, Doktoranden, Berufsanfänger oder Wiedereinsteiger, die sich durch einen internationalen englischsprachigen LL.M. weiter qualifizieren wollen. Weitere Informationen bei Frau Prof. Dr. Ingeborg Schwenzer, LL.M. (info@swissintlawschool.org) und unter www.swissintlawschool.org

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Art. 6 EMRK erlaubt bei Schiedsbescheid Rechtsmittelverzicht

EGMR 1.3.2016 – 41069/12 – Tabbane ./. Schweiz

Das Recht aus Art. 6 EMRK verlangt nicht, dass ein Gericht einen Schiedsbescheid aufheben muss, wenn die Parteien ausdrücklich freiwillig vereinbart haben, auf die Anfechtungsmöglichkeit zu verzichten und es sich auch um ein freiwilliges Schiedsverfahren handelt. (Mitgeteilt von Dr. Susanne Gössl, Bonn)

EMRK verlangt Gerichtsstand für Persönlichkeitsverletzungen

EGMR 1.3.2016 – 22302/10 – Arlewin ./. Schweden

Die EMRK-Vertragsstaaten sind dann zur Verfügungsstellung eines Gerichtsstandes für Persönlichkeitsverletzungen verpflichtet, wenn eine erhebliche Verbindung zu dem Vertragsstaat vorliegt. (Mitgeteilt von Prof. Dr. Patrick Kinsch, Luxemburg)

Art. 24 EuGVVO 2001: Keine Prüfung der Unzuständigkeit von Amts wegen

EuGH 17.3.2015 – Rs. C-175/15 – Taser International Inc. ./. SC Gate 4 Business SRL, Cristian Mircea Anastasiu

1. Art. 23 Abs. 5 und Art. 24 EuGVVO 2001 sind dahin auszulegen, dass sich im Rahmen eines Rechtsstreits über die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, mit dem der Kläger die Gerichte des Mitgliedstaats befasst hat, in dem der ­Beklagte seinen Sitz hat, die Zuständigkeit dieser Gerichte aus Art. 24 EuGVVO 2001 ergeben kann, wenn der Beklagte nicht den Mangel der Zuständigkeit geltend macht, obwohl der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält.

2. Art. 24 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass er es im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Parteien eines Vertrags, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte eines Drittstaats enthält, dem angerufenen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, verwehrt, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, obwohl der Mangel der Zuständigkeit vom Beklagten nicht geltend gemacht wird.

EuGVVO 2001/EuMahnVO: Internationale Zuständigkeit für Europäischen Zahlungsbefehl

EuGH 10.3.2015 – Rs. C-94/14 – Flight Refund Ltd ./. Deutsche Lufthansa AG

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Gericht, bei dem ein Verfahren – wie das Ausgangsverfahren – zur Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats des Europäischen Zahlungsbefehls anhängig ist, unter diesen Umständen prüft, ob die Gerichte dieses Mitgliedstaats für die Entscheidung in dem streitigen Verfahren über die Forderung, die dem betreffenden Zahlungsbefehl zugrunde liegt, gegen den der Antragsgegner fristgerecht Einspruch eingelegt hat, international zuständig sind, – sich diese verfahrensrechtlichen Fragen in Ermangelung von Hinweisen zu den Befugnissen und Pflichten des angerufenen Gerichts in der EuMahnVO gemäß Art. 26 EuMahnVO weiterhin nach den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats richten;

– die EuGVVO 2001 verlangt, dass die Frage der internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats des Europäischen Zahlungsbefehls nach Verfahrensvorschriften entschieden wird, die es ermöglichen, die praktische Wirksamkeit der EuGVVO 2001 und die Verteidigungsrechte zu gewährleisten, unabhängig davon, ob diese Frage von dem vorlegenden Gericht oder von einem Gericht entschieden wird, das das vorlegende Gericht als das Gericht bestimmt hat, das örtlich und sachlich zuständig ist, um über eine Forderung wie die im Ausgangsverfahren streitige in einem ordentlichen Zivilverfahren zu entscheiden;

– die EuGVVO 2001 und die EuMahnVO in dem Fall, dass ein Gericht wie das vorlegende eine Entscheidung über die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats des Europäischen Zahlungsbefehls trifft und eine solche Zuständigkeit im Hinblick auf die in der EuGVVO 2001 aufgestellten Kriterien bejaht, das betreffende Gericht verpflichten, die nationalen Rechtsvorschriften so auszulegen, dass sie es ihm ermöglichen, ein für die Entscheidung in diesem Verfahren örtlich und sachlich zuständiges Gericht festzustellen oder zu bestimmen;

– ein Gericht wie das vorlegende in dem Fall, dass es im Ergebnis feststellt, dass eine solche internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist, nicht gehalten ist, den betreffenden Zahlungsbefehl entsprechend Art. 20 EuMahnVO von Amts wegen zu überprüfen.

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und gerechter Ausgleich im Urheberrecht

Schlussanträge des Generalanwalts Henrik Saugmandsgaard de vom 17.2.2016 – Rs. C-572/14 – Austro-Mechana ./. Amazon

Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass bei einer Klage auf Zahlung des gerechten Ausgleichs im Sinne von Art. 5
Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, zu dem nach dem nationalen Recht Unternehmen verpflichtet sind, die Trägermaterial im Inland als erste gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringen, „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder [...] Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung den Gegenstand des Verfahrens bilden.

EuErbVO: Sachenrechtliche Wirkung des Vindikationslegats

Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Landsberg an der Warthe (Sa¸d Okre¸gowy w Gorzowie Wielkopolskim), Polen an den EuGH vom 8.3.2016 – Rs. C-218/16 – Kubicka

Sind Art. 1 Abs. 2 lit. k, Art. 1 Abs. 2 lit. l bzw. Art. 31 EuErbVO dahin auszulegen, dass sie die Verweigerung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen eines durch das Erbstatut vorgesehen Vindikationslegats (legatum per vindicationem) ermöglichen, wenn das Legat das Eigentum an einer Immobilie betrifft, welche in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Rechtssystem Legate mit dinglicher Wirkung nicht vorsieht?

(Mitgeteilt von Dr. Martin Margonski, Słubice)

Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO und ­verflochtene Verträge

BGH 10.3.2016 – III ZR 255/12

Zur Anwendbarkeit von Art. 15 Abs. 1 lit. c, 2. Alt. EuGVVO auf einen zwischen einem Verbraucher und einem beruflich oder gewerblich Handelnden geschlossenen Vertrag, der als solcher nicht in den Bereich der von dem beruflich oder gewerblich Handelnden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichteten beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit fällt, aber eine enge Verbindung zu einem anderen Vertrag aufweist, der zuvor zwischen denselben Parteien im Bereich einer solchen Tätigkeit geschlossen wurde.

Einstweilige Maßnahme nach EuEheVO

BGH 10.2.2016 – XII ZB 38/15

1. Enthält die eine einstweilige Maßnahme anordnende Entscheidung keine eindeutige Begründung für die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts in der Hauptsache unter Bezugnahme auf eine der in den Art. 8 bis 14 EuEheVO genannten Zuständigkeiten, und ergibt sich die Hauptsachezuständigkeit auch nicht offensichtlich aus der erlassenen Entscheidung, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht nach den Zuständigkeitsvorschriften der EuEheVO ergangen ist. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Entscheidung unter die Öffnungsklausel des Art. 20 EuEheVO fällt (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 188, 270 = FamRZ 2011, 542).

2. Sind auch die Voraussetzungen des Art. 20 EuEheVO nicht gegeben, kommt eine Anerkennung und Vollstreckung der von einem nach der EuEheVO unzuständigen Gericht erlassenen einstweiligen Maßnahme nicht in Betracht (im Anschluss an ­Senatsbeschluss BGHZ 188, 270 = FamRZ 2011, 542).

3. Dringlichkeit i.S.d. Art. 20 Abs. 1 EuEheVO bezieht sich sowohl auf die Lage, in der sich das Kind befindet, als auch auf die praktische Unmöglichkeit, den die elterliche Verantwortung betreffenden Antrag vor dem Gericht zu stellen, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist (im Anschluss an EuGH FamRZ 2010, 525).

4. Einstweilige Maßnahmen i.S.v. Art. 20 Abs. 1 EuEheVO können nur in Bezug auf Personen erlassen werden, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das für den Erlass dieser Maßnahmen zuständige Gericht seinen Sitz hat. Das gilt in Verfahren über die elterliche Verantwortung nicht nur für das Kind selbst, sondern auch für den Elternteil, dem durch den Erlass der Maßnahme das Sorgerecht genommen wird (im Anschluss an EuGH FamRZ 2010, 525).

Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ: Ausrichten des Internetangebots einer Anwaltskanzlei bei internationaler Top-Level-Domain (.com)

OLG München 16.3.2016 – 15 U 2341/15 Rae

1. a) Eine in der Schweiz ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft richtet ihre berufliche Tätigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ (entspricht Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO) auf mehrere Staaten einschließlich Deutschlands aus, wenn ihre in deutscher und englischer Sprache gehaltene Webseite mit der Internet­adresse „xxx.com“ eine andere Top-Level-Domain (.com) als die länderspezifische Top-Level-Domain der Schweiz (.ch) aufweist, die dort genannte Telefonnummer mit internationaler Vorwahl sowie die dort genannte Postadresse mit dem vorangestellten Länderkürzel „CH“ angegebenen werden und die auf der Webseite dargestellten anwaltlichen Leistungen mit internationalem Charakter auch für ausländische Mandanten (ein­schließlich solcher aus Deutschland) angeboten werden.

b) Eine Kausalität zwischen dem Ausrichten der Webseite und dem Abschluss des Rechtsanwaltsvertrages ist nicht notwendig, um den Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers nach Art. 16 Abs. 1 LugÜ zu begründen (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 17.10.2013 – C-218/12, NJW 2013, 3504).

2. a) Eine in der Schweiz ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft richtet ihre berufliche Tätigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ auf mehrere Staaten einschließlich Deutschlands aus, wenn sie sich mit einem Schreiben an in Deutschland ansässige geschädigte Anleger wendet und darin die Vertretung von deren Interessen in einem in der Schweiz anhängigen Verfahren anbietet. Dies erfüllt die Voraussetzungen des Ausrichtens gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ, denn dessen Wortlaut ist dahin zu verstehen, dass er die früheren Begriffe des „ausdrücklichen“ Angebots und der „Werbung“ einschließt und ersetzt (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 7.12.2010 – C-585/08 und C-144/09, NJW 2011, 505).

b) Der Anwendung des Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ steht nicht entgegen, dass der Kontakt zwischen deutschem Anleger und Schweizer Rechtsanwalt über einen vom Anleger bereits beauftragten deutschen Rechtsanwalt vermittelt wird, da die Initiative zur Unterbreitung des Angebots nicht vom Unternehmer ausgegangen sein muss (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2011 – VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28).

c) Entscheidend für die Feststellung eines „Ausrichtens“ ist der Wille des im Ausland ansässigen Unternehmers, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in anderen Mitgliedsstaaten herzustellen. Für die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ genügt es, wenn eine spezifische Zielrichtung auf eine Gruppe potentieller Kunden vorliegt (so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 5.2.2016 – 2 U 136/15). Der Anwendung des Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ steht deshalb nicht entgegen, dass sich die im Schreiben eines Rechtsanwalts liegende Werbung nicht an eine breitere Öffentlichkeit richtet, sondern an einen von vorne herein eingegrenzten Personenkreis (hier: „geschädigte Kunden der Firma XXX AG“).

Statut der Beendigung der Vormundschaft

OLG Bremen 23.2.2016 – 4 UF 186/15

1. Für die Beendigung der Vormundschaft gemäß §§ 1882, 1773 BGB ist gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem das Mündel angehört, seine Volljährigkeit zu bestimmen.

2. Nach Art. 443 des Code civil Guineen wird ein Staatsangehöriger Guineas mit Vollendung des 21. Lebensjahres volljährig.

Interesse an der Feststellung einer ausländischen Entscheidung

OLG Nürnberg 1.2.2016 – 7 AR 67/16, 7 AR 78/16

Das Interesse an der Feststellung einer ausländischen Entscheidung wird nicht dort bekannt, wo der Antrag gestellt wird, sondern dort wo die ausländische Entscheidung geltend gemacht wird oder geltend gemacht werden soll.

Erklärung nach Art. 48 EGBGB

KG 19.1.2016 – 1 W 460/15

Eine von deutschen, in Frankreich lebenden Eltern vor französischen städtischen Bediensteten gem. Art. 48 EGBGB abgegebene Erklärung über die Wahl eines aus den Nachnamen der (nicht verheirateten) Eltern zusammengesetzten Doppelnamens für das gemeinsame Kind ist nach deutschem Recht nicht wirksam. Unter dem Aspekt der möglichen Berichtigung des französischen Geburtsregisters kann eine Beeinträchtigung der Rechte des derzeit vierjährigen Kindes i.S.d. der Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH („Grunkin Paul“ Entscheidung v. 14.10.2008, NJW 2009, 135) nicht festgestellt werden.

Erfüllungsort bei Distanzgeschäft

Corte di Cassazione 26.2.2016 – n. 3802

Zu der Frage, wo bei einem Vertrag über einen Warenkauf über Distanz der Erfüllungsort i.S.d. Art. 5 Abs. 1 lit. a, b EuGVVO 2001 ist (Ablieferung bei dem Transportunternehmen in Spanien oder erst bei Ankunft der Waren beim Käufer in Italien). (Mitgeteilt von Dr. Susanne Gössl, Bonn)

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