Heft 3/2024 (April 2024)

Anti-SLAPP-Richtlinie angenommen

Am 19.3.2024 hat der Rat der Europäischen Union die Anti-SLAPP-Richtlinie angenommen. Ziel der Richtlinie ist der Schutz von Personen und Organisationen, die sich zu Angelegenheiten von öffentlichem Interesse äußern, vor offensichtlich unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren (Strategic lawsuits against public participation, SLAPPs). Die Richtlinie wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie umzusetzen. Dazu siehe Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2024, 73 (81).

 

EU-Lieferketten-Richtlinie im Europäischen Rat angenommen

Am 15.3.2024 hat der Rat der Europäischen Union Einigung über den Vorschlag der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit erzielt. Die Abstimmung des Europäischen Parlaments soll am 24.4.2024 erfolgen. Die „EU-Lieferketten-Richtlinie“ soll nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln fördern und dazu führen, dass Menschenrechts- und Umweltaspekte in den Unternehmenspolitiken stärkere Berücksichtigung finden. Dazu siehe Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2024, 73 (79).

 

Art. 6 Abs. 1 EuGVVO: Art. 18 Abs. 2 EuGVVO bei letztem bekanntem Wohnsitz eines Drittstaatenverbrauchers

EuGH 11.4.2024 – C-183/23 – Credit Agricole Bank Polska ./. AB

Art. 6 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass, wenn sich der letzte bekannte Wohnsitz eines Beklagten, der Drittstaatsangehöriger und Verbraucher ist, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts befindet und es diesem Gericht nicht gelingt, den gegenwärtigen Wohnsitz dieses Beklagten festzustellen, und es auch nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder außerhalb des Gebiets der Europäischen Union hat, sich die Zuständigkeit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht nach dem Recht des Mitgliedstaats dieses Gerichts bestimmt, sondern nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO, der dem Gericht die Zuständigkeit für die Entscheidung eines solchen Rechtsstreits zuweist, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der letzte bekannte Wohnsitz dieses Beklagten befindet.

 

Art. 45 Abs. 1 lit. a und e Ziff. ii, Art. 25  EuGVVO: keine Anerkennungsversagung wegen Missachtung einer Gerichtsstandsabrede

EuGH 21.3.2024 – C-90/22 – Gjensidige ./. Rhenus Logistics, ACC Distribution

Art. 45 Abs. 1 lit. a und e Ziff. ii EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er es einem Gericht eines Mitgliedstaats nicht gestattet, die Anerkennung einer Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats mit der Begründung zu versagen, dass sich das letztere Gericht für zuständig erklärt hat, über eine Klage aus einem Vertrag über eine internationale Beförderung zu befinden, und dabei eine in diesem Vertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 25 EuGVVO außer Acht gelassen hat.

 

Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO: Kein Günstigkeitsvergleich mit dem Vertragsstatut nach Art. 4 EuGVVO

EuGH 14.3.2024 – C-429/22 – VK ./. N1 Interactive ltd.

Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist dahin auszulegen, dass wenn ein Verbrauchervertrag die Anforderungen dieser Vorschrift erfüllt und keine gültige Rechtswahl für diesen Vertrag getroffen wurde, das auf diesen Vertrag anzuwendende Recht nach dieser Vorschrift zu bestimmen ist, wobei es nicht auf den Umstand ankommt, dass das gemäß Art. 4 Rom I-VO auf diesen Vertrag anwendbare Recht möglicherweise für den Verbraucher günstiger wäre.

 

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO: Erfolgsort in Dieselfällen ist der Übergabeort des Fahrzeugs

EuGH 22.2.2024 – C-81/23 – FCA Italy SpA, FPT Industrial SpA ./. MA

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass sich in einem Fall, in dem ein Fahrzeug, das von seinem Hersteller in einem ersten Mitgliedstaat mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet worden sein soll, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert, Gegenstand eines in einem zweiten Mitgliedstaat abgeschlossenen Kaufvertrags war und dem Erwerber in einem dritten Mitgliedstaat übergeben wurde, der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne dieser Bestimmung im letztgenannten Mitgliedstaat befindet.

 

Art. 67 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a EuErbVO: Prüfungspflichten der Ausstellungsbehörde

Schlussanträge des Generalanwalts Manuel Campos Sanchez-Bordona beim EuGH. 11.4.2024 – C-187/23 – Albausy

Art. 67 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a EuErbVO ist dahin auszulegen, dass eine Behörde, bei der die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt wird, die Einwände, die von Personen mit berechtigtem Interesse an der Erbsache im Rahmen des Ausstellungsverfahrens erhoben werden, prüfen muss, um die zu bescheinigenden Sachverhalte festzustellen.

Das Europäische Nachlasszeugnis darf nicht ausgestellt werden, wenn es Sachverhalte enthält, die mit einer früheren rechtskräftigen Entscheidung nicht vereinbar sind.

Das Europäische Nachlasszeugnis darf nicht ausgestellt werden, wenn in dem Verfahren, das auf die Ausstellung des Zeugnisses abzielt, Einwände gegen einen wesentlichen Sachverhalt der Erbsache, wie etwa die Gültigkeit eines Testaments, erhoben werden, sofern diese Einwände nach den anwendbaren Rechtsvorschriften ein Mindestmaß an Begründetheit aufweisen.

Die Ausstellungsbehörde ist nicht verpflichtet, im Europäischen Nachlasszeugnis die Gründe für seine Ausstellung anzugeben.

 

Art. 16 Rom II-VO: Inlandsbeziehung und Bemessungsnorm für immateriellen Schockschaden naher Angehöriger als Eingriffsnorm?

Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar beim EuGH. 14.3.2024 – C-86/23 – E. N. I., Y. K. I. ./. HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG

Art. 16 Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass eine nationale Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die als Kriterium für die Festsetzung der Entschädigung für den immateriellen Schaden, den nahe Familienangehörige eines tödlich verunglückten Verkehrsunfallopfers erlitten haben, die Anwendung eines fundamentalen Grundsatzes des Rechts eines Mitgliedstaats wie des Grundsatzes der Billigkeit vorsieht, als Eingriffsnorm im Sinne dieses Artikels angesehen werden kann, es sei denn, das angerufene Gericht stellt aufgrund des Vorliegens hinreichend enger Verbindungen zum Staat dieses Gerichts und einer ausführlichen Analyse des Wortlauts, der allgemeinen Systematik, des Telos sowie des Entstehungszusammenhangs dieser Vorschrift fest, dass ihr in der innerstaatlichen Rechtsordnung so große Bedeutung zukommt, dass ein Abweichen von dem nach Art. 4 Rom II-VO anwendbaren Recht gerechtfertigt erscheint.

 

Art. 1 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO: Internationale und örtliche Zuständigkeit bei Auslandsreise und gemeinsamem Inlandswohnsitz von Verbraucher und Reiseveranstalter

Schlussanträge des Generalanwalts Nicholas Emiliou beim EuGH. 7.3.2024 – C-774/22 – JX ./. FTI Touristik GmbH

Art. 1 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 EuGVVO sind dahin auszulegen, dass die in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO getroffene Zuständigkeitsregelung zugunsten der Gerichte des Wohnsitzes des Verbrauchers auf Klagen anwendbar ist, die ein Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat gegen einen Reiseveranstalter mit Wohnsitz in demselben Staat in Bezug auf einen Pauschalreisevertrag über eine Reise ins Ausland erhebt. Diese Regelung weist diesen Gerichten sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit zu, ohne auf die in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften über die Verteilung der örtlichen Zuständigkeit zu verweisen.

 

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO: Kein Erfolgsort bei Sitz der Obergesellschaft und Schaden der Untergesellschaft und wirtschaftlicher Einheit beider

Schlussanträge des Generalanwalts Nicholas Emiliou beim EuGH. 8.2.2024 – C-425/22 – MOL

Magyar Olaj- és Gázipari Nyrt. ./. Mercedes-Benz Group AG

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, nicht den Sitz der Muttergesellschaft umfasst, wenn sie eine Klage auf Ersatz von Schäden erhebt, die ausschließlich ihren Tochtergesellschaften durch das wettbewerbswidrige Verhalten eines Dritten entstanden sind, wobei geltend gemacht wird, dass die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaften Teil derselben wirtschaftlichen Einheit seien.

 

Art. 1 Abs. 1 EVÜ, Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO: Anwendbarkeit der Rom I-VO (EVÜ) bei Streit über Urheberschaft im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags?  

Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie (Belgien) 8.2.2014 – C-106/24

Sind Art. 1 Abs. 1 EVÜ und Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO dahin auszulegen, dass die Frage nach der Inhaberschaft eines Urheberrechts an einem Werk, das zur Erfüllung einer Verpflichtung aus einem Arbeits- oder Auftragsvertrag geschaffen wurde, also die Frage, wer der ursprüngliche Rechteinhaber ist sowie ob und in welchem Umfang dieses Recht auf einen Rechtsnachfolger übertragbar ist, unter den Begriff „vertragliche Schuldverhältnisse“ fällt?

 

Art. 83 Abs. 3 und 4, Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO und Enterbungserklärung

Vorabentscheidungsersuchen des Obvodní soud pro Prahu 1 (Tschechische Republik) 6.2.2024 – C-98/24

  1. Sind die Bestimmungen von Art. 83 Abs. 3 und 4 EuErbVO in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO dahin auszulegen, dass der Begriff der Verfügung von Todes wegen auch eine Enterbungserklärung umfasst?
  2. Für den Fall, dass die erste Frage zu bejahen ist, ist Art. 83 Abs. 4 EuErbVO dahin auszulegen, dass, wenn der Erblasser vor dem 17. August 2015 mehrere Verfügungen von Todes wegen errichtet hat, die dem Recht eines Staates entsprachen, das der Erblasser nach der EuErbVO hätte wählen können, als das auf die Erbfolge anzuwendende gewählte Recht das Recht gilt, nach dem der Erblasser letztmals vor dem 17. August 2015 eine Verfügung von Todes wegen errichtet hat?
  3. Ist Art. 26 Abs. 2 EuErbVO dahin auszulegen, dass, wenn der Erblasser aufgrund einer vor dem 17. August 2015 getätigten Verfügung von Todes wegen nach dem für seine gesamte Erbschaft anzuwendenden Recht in seiner Verfügungsfähigkeit beschränkt war und wenn sich infolge eines späteren Wechsels dieses Rechts die Bedingungen für die Ausübung seiner Verfügungsfähigkeit geändert haben, der Erblasser weiterhin in seiner Verfügungsfähigkeit nach dem Recht beschränkt ist, das auf die Erbfolge nach dem betreffenden Erblasser im Fall seines Todes zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags anwendbar gewesen wäre, ungeachtet dessen, dass der Erblasser nach dem für seine gesamte Erbschaft zum Zeitpunkt seines Todes anzuwendenden Recht berechtigt war, den Erbvertrag aufzuheben (zu widerrufen oder zu ändern)?

 

Art. 3, Art. 6ff. EuUnterhVO: Internationale Zuständigkeit bei Drittstaatenaufenthalt und Mehrstaatigkeit und Antrag auf Unterhaltsleistungen

Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad (Bulgarien)29.1.2024 – C-67/24

  1. Ist Erwägungsgrund 15 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegensteht, nach der sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Anträge auf Unterhaltsleistungen für Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat (hier Kanada) haben, nach nationalem Recht und nicht nach der Verordnung bestimmt?
  2. Sind die Art. 3 und 8 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung nicht entgegenstehen, nach der der Begriff „Antrag auf Unterhaltsleistungen“ einen Antrag auf Herabsetzung von Unterhaltsleistungen nicht erfasst und die Art. 3 bis 6 der Verordnung nur auf Anträge auf Gewährung von Unterhaltsleistungen anwendbar sind?
  3. Ist Art. 6 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass der Begriff „gemeinsame Staatsangehörigkeit“ auch Fälle erfasst, in denen eine oder mehrere Parteien eine doppelte Staatsangehörigkeit haben, oder erfasst er nur Fälle völlig identischer Staatsangehörigkeiten?
  4. Ist Art. 7 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass er der Annahme eines „Ausnahmefalls“ nicht entgegensteht, wenn der Unterhaltspflichtige einen Antrag auf Herabsetzung von Unterhaltsleistungen stellt und der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat und außer seiner Staatsangehörigkeit keinen weiteren Bezug zur Union hat?

 

Art. 13 EuErbVO: Keine Anwendung bei erforderlicher gerichtlicher Ausschlagungsbestätigung

Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Gliwicach (Polen) 26.1.2024 – C-57/24

Ist Art. 13 EuErbVO dahin auszulegen, dass er keine Anwendung findet, wenn außer der Entgegennahme der Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft zu ihrer Wirksamkeit – nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden – zusätzlich eine Bestätigung durch das Gericht erforderlich ist, beispielsweise im Fall einer Abgabe der Erklärung nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist?

 

Art. 32 lit. a) und lit. f ) EPGÜ: Keine Zuständigkeit für Schadensersatzklage nach rechtskräftigem Abschluss des Patentverletzungsverfahren

EPG Gericht Erster Instanz Hamburg 17.11.2023 – UPC_CFI_274/2023

Das EPG ist für Klagen auf Festsetzung von Schadensersatz auf Grundlage eines rechtskräftig abgeschlossenen Patentverletzungsverfahrens vor einem nationalen Gericht nicht zuständig. Art. 32 lit. a) EPGÜ eröffnet eine Zuständigkeit des EPG für die Festsetzung von Schadensersatz erst nach einer vorangegangenen Klage auf Patentverletzung vor einer Kammer des EPG. Art. 32 lit. f) EPGÜ begründet eine Zuständigkeit nur für Klagen auf Schadensersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt, vor. Auch die Geltendmachung von Schadensersatz findet seine Grundlage in dem vorläufigen Schutz, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt. Die Anerkennung eines nationalen Urteils auf Feststellung von Schadensersatz kann die Zuständigkeit des EPG für die Festsetzung von Schadensersatz nicht begründen.

 

Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO: Binnensachverhalt bei einem Inlandsmietvertrag mit ausländischem Staat als Wohnraumvermieter?

BGH 29.11.2023 – VIII ZR 7/23

Zum Vorliegen eines Binnensachverhalts im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO bei einem Mietvertrag über eine im Inland gelegene Mietwohnung.

 

BGH 5.7.2023 – XII ZB 155/20

  1. Ein minderjähriges Kind teilt im Hinblick auf das Personalstatut die Flüchtlingseigenschaft seines Elternteils, von dem es die alleinige Staatsangehörigkeit des Herkunftsstaats ableitet. Hierzu genügt es, dass die Voraussetzungen nach § 26 AsylG vorliegen, die vom Gericht eigenständig zu prüfen sind. Einer Anerkennung durch die zuständige Behörde bedarf es nicht. Gleiches gilt für den Ehegatten des Flüchtlings jedenfalls dann, wenn beide Ehegatten ausschließlich dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen.
  2. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG begründet nicht die Anwendung des deutschen Personalstatuts.
  3. Gibt eine Person nach einem Statutenwechsel zum deutschen Namensrecht keine Angleichungserklärung gemäß Art. 47 EGBGB ab, so hat bei ihrer Eintragung in einem deutschen Personenstandsregister eine objektive Angleichung zu erfolgen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 180/12 – FamRZ 2014, 741). (Rn. 40 – 42)
  4. Die Frist nach § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB zur Neubestimmung des Namens des Kindes bei nachträglich begründeter gemeinsamer elterlicher Sorge ist eine Ausschlussfrist. Sie beginnt mit Abgabe der Sorgeerklärungen und ist nicht von der Kenntnis der Eltern abhängig.

 

Art. 10 Abs. 1 EGBGB und Kindschaftsanerkennung

BGH 22.3.2023 – XII ZB 105/22

Erwirbt ein Kind aufgrund Anerkennung der Vaterschaft durch einen Deutschen nach § 4 Abs. 1 S. 2 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit, führt das Kind vorbehaltlich einer abweichenden Rechtswahl der Sorgerechtsinhaber gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich einen Geburtsnamen nach Maßgabe deutschen Sachrechts.

 

Anwendbarkeit der §§ 110 ff. ZPO im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von inländischen oder ausländischen Schiedssprüchen

BGH 12.1.2023 – I ZB 33/22

  1. Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von inländischen oder ausländischen Schiedssprüchen sind die Vorschriften der §§ 110 ff. ZPO über die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit entsprechend anwendbar. Der Antragsteller in einem solchen Verfahren steht einem Kläger im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO gleich (Aufgabe der Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Verfahrensrecht in BGH, Urteil

vom 22. September 1969 – VII ZR 192/68, BGHZ 52, 321).

  1. Die Privilegierung des Widerklägers gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Erhebung einer Widerklage durch einen vorangegangenen Angriff des Klägers veranlasst ist. Es ist deshalb auch nicht ungeachtet der formalen Parteirolle derjenige als Angreifer anzusehen, der die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs begehrt.

 

Partei- und Prozessfähigkeit einer nach dem Recht der British Virgin Islands gegründeten Gesellschaft mit Sitz in Hongkong und die Ermittlung ausländischen Rechts

KG 1.2.2024 – 2 U 130/21

  1. Zur Partei- und Prozessfähigkeit einer nach dem Recht der British Virgin Islands gegründeten Gesellschaft mit Sitz in Hongkong.
  2. Das UN-Kaufrecht ist auf einen vor dem 1. Dezember 2022 geschlossenen Kaufvertrag mit einer in Hongkong ansässigen Verkäuferin nicht anwendbar.
  3. Das Gericht hat das anzuwendende ausländische Recht nach § 293 ZPO im Wege des Freibeweises festzustellen, wobei es in seinem Ermessen steht, wie es sich die Kenntnisse des fremden Rechts verschafft. In einem Urkundenprozess gelten insoweit keine Besonderheiten.
  4. Bei der Ermittlung des ausländischen Rechts kann das Gericht auch auf von den Parteien vorgelegte Privatgutachten zurückgreifen. Eine ergänzende Beweiserhebung ist in diesem Fall nur dann erforderlich, wenn die Ausführungen in den Rechtsgutachten eine im Streitfall gegebene Besonderheit des Sachverhalts unberücksichtigt lassen.

 

Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 ZPO bei Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut

BayObLG 9.1.2024 – 102 Sch 179/23 e

  1. Auch wenn nur die Kostengrundentscheidung und nicht auch der Ausgleich der von den Schiedsparteien geleisteten Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar als vom materiellen Vergleich der Parteien mit umfasst und in den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einbezogen ist, kann der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die Grundlage für einen späteren Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 ZPO bilden.
  2. Eine Schiedspartei kann sich im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf das Fehlen der Schiedsvereinbarung nicht mehr berufen (vgl. § 1040 Abs. 2 ZPO), wenn sie sich vor dem Schiedsgericht auf einen Vergleich einlässt und mit dessen Festhaltung als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einverstanden ist (vgl. § 1040 Abs. 2 ZPO). Dies gilt selbst dann, wenn sie die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts vorher gerügt hätte.

(Leitsätze v. Anna Bobzin, Köln)

 

OLG Karlsruhe 27.7.2023 – 18 UF 233/22

  1. § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG steht dem Absehen von einer erneuten Anhörung der Eltern in kinderschutzrechtlichen Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB nicht entgegen, wenn das Beschwerdegericht wegen fehlender internationaler Zuständigkeit nicht in der Sache entscheidet.
  2. Die Vorschriften der §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 159 FamFG sind einschränkend so auszulegen, dass eine Anhörung des Kindes und das Sich-Verschaffen eines persönlichen Eindrucks nicht erforderlich sind, wenn eine Beschwerde wegen des Entfallens der internationalen Zuständigkeit während des Beschwerdeverfahrens zurückgewiesen wird.

 

Einwand einer anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO und Antragswechsel im schweizerischen Scheidungsverfahren

OLG Hamm 11.7.2023 – 9 UF 219/21

  1. Bei dem Einwand einer anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO handelt es sich um ein in allen Instanzen von Amts wegen und unabhängig von etwaigen Anträgen oder Verfahrensrügen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis.
  2. Nach dem autonomen Internationalen Zivilverfahrensrecht steht die Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens der Rechtshängigkeit bei einem inländischen Gericht gleich, wenn Parteien und Streitgegenstand identisch sind und die ausländische Entscheidung hier anzuerkennen ist.
  3. Eine einmal begründete Rechtshängigkeit wird nicht durch einen im Schweizer Scheidungsverfahren erfolgten Wechsel von einer Scheidung auf Klage eines Ehegatten (Art. 114 f. ZGB) zu einer Scheidung auf gemeinsames Begehren (Art. 111 f. ZGB) beseitigt. Denn der schweizerische Gesetzgeber behandelt Scheidungsklage und gemeinsames Scheidungsbegehren hinsichtlich der Begründung der Rechtshängigkeit gleich. Allfällige Wechsel von einem zum anderen Scheidungsgrund sind in Art. 288 Abs. 3 und Art. 292 ZPO (CH) vorgezeichnet, ohne dass hierdurch die Identität des Begehrens geändert würde. Eine einmal begründete Rechtshängigkeit besteht unverändert fort.

(Leitsätze v. Anna Bobzin, Köln)

 

Keine Überprüfung der Sorge- oder Umgangsrechtsentscheidung im Rückführungsverfahren nach dem HKÜ

OLG Rostock 9.6.2023 – 10 UF 62/23

Eine (inzidente) Überprüfung der Entscheidungen des Gerichtes des Heimatstaates zum Sorge- oder Umgangsrecht findet im Rückführungsverfahren nach dem HKÜ grundsätzlich nicht statt. Das Rückführungsverfahren dient gerade (auch) dazu, die Entscheidungszuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates zu wahren und das Verfahren im Heimatstaat des Kindes sicherzustellen. Ist im Heimatstaat bereits aktuell eine Umgangsregelung getroffen worden, hat das HKÜ-Gericht diese Entscheidungen zu respektieren. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn es Zweifel an einem rechtsstaatlichen Verfahren im Heimatland des Kindes gibt.

 

Kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen parallelem HKÜ-Rückführungsverfahren

OLG Koblenz 2.5.2023 – 7 UF 113/23

Parallel zu einem im Zielstaat einer behaupteten Kindesentführung durchgeführten Rückgabeverfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen besteht im Inland (Herkunftsstaat) regelmäßig kein Eilbedürfnis (Anordnungsgrund) für eine einstweilige Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

 

 OLG Bremen 24.4.2023 – 4 VA 1/22

Nach iranischem Recht durchgeführte Scheidungen, denen ein gerichtliches Verfahren gemäß Art. 26 ff. des Gesetzes zum Schutze der Familie vom 19.2.2013 (FSG 2013) vorausgeht, sind als gerichtliche Scheidungen gemäß § 107 FamFG anerkennungsfähig. Das gilt auch für Scheidungsanträge des Ehemannes, weil Art. 1133 iran. ZGB in der seit dem Jahr 2002 geltenden Fassung auch für den Ehemann einen gerichtlichen Antrag auf Scheidung vorsieht.

 

Art. 14 EuZustVO 2007: Nichtabholung ist keine treuwidrige Zugangsvereitelung

OLG Frankfurt 21.2.2023 – 26 Sch 11/22

Das schlichte Nichtabholen bei der Post zur Abholung bereitliegender Sendungen stellt im Anwendungsbereich des Art. 14 EuZustVO 2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung dar.

 

Art. 11, Art. 13 Abs. 1 EGBGB: Stellvertretung bei der Eheschließung nach syrischem Eherecht

OLG Nürnberg 7.2.2023 – 11 W 2076/22

  1. Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann auch die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden. Das syrische Recht wäre – unter Vorbehalt des deutschen ordre public – deshalb anzuwenden, wenn die Eheschließung eine reine Formfrage wäre. Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist aber nur dann als reine Formfrage (Art. 11 EGBGB) und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB) zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat.
  2. Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus.

 

Teilvollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs

BayObLG 20.1.2023 – 102 Sch 115/21

  1. Teile eines Schiedsspruchs können in einem hierauf beschränkten Verfahren für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie gegenüber dem Rest des entschiedenen Streitstoffs einen selbständig abgrenzbaren Teil darstellen.
  2. Hat das Schiedsgericht im Verfahren über eine isolierte Beschlussfeststellungsklage zwischen Gesellschaftern einer GmbH und der Gesellschaft mit Wirkung inter omnes positiv festgestellt, dass ein Gesellschafterbeschluss mit bestimmtem Inhalt wirksam gefasst worden ist, steht die Unteilbarkeit des Schiedsspruchs einem Verfahren der Vollstreckbarerklärung entgegen, das nur zwischen Gesellschaftern, nicht aber zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft geführt wird.
  3. Eine erstinstanzliche Parteierweiterung auf Antragstellerseite im Verfahren über den Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs und den Gegenantrag auf Vollstreckbarerklärung ist trotz mangelnden Einverständnisses der Gegenseite im Fall der Sachdienlichkeit zulässig.
  4. Im Umfang der Aufhebung eines Schiedsspruchs kann die Sache auch dann an das Schiedsgericht zurückverwiesen werden, wenn nur eine Partei die Zurückverweisung beantragt, sofern keine augenfällige, gravierende Verletzung des rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt und die Zurückverweisung sachdienlich erscheint.

 

Abänderung einer Verwaltungsentscheidung nach § 107 FamFG

OLG Stuttgart 5.1.2023 – 17 VA 4/22

Zur Frage der Abänderung einer Verwaltungsentscheidung nach § 107 FamFG durch die

Justizverwaltung, wenn die Frist für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung verstrichen ist.

 

Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AsylG auch bei polygamer Ehe nur für eine Ehefrau

OVG Berlin-Brandenburg 17.5.2023 – 3 B 24/22

Die weitere Ehefrau eines in polygamer Ehe lebenden Flüchtlings kann keinen Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AsylG beanspruchen, wenn dieser Schutz bereits einer Ehefrau desselben Mannes zuerkannt worden ist

 

Stellvertretung im Willen bei der Eheschließung allein nach religiösem Ritus und religiöses Recht

OVG Lüneburg 9.2.2023 – 9 LA 259/21

  1. Ist nach dem Recht des Verfolgerstaates eine Ehe, die allein nach religiösem Ritus vor einem Imam geschlossen wurde, auch ohne staatliche Registrierung wirksam, weil die Registrierung nur deklaratorisch wirkt, ist diese Ehe vom Verfolgerstaat anerkannt und deshalb eine nach Maßgabe der Vorschriften des Familienasyls wirksame Eheschließung (hier bezogen auf Irak).
  2. Ein Verstoß gegen den ordre public gemäß Art. 6 EGBGB kann vorliegen, wenn die Anwendung fremden Rechts im Einzelfall mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, wozu insbesondere die Grundrechte gehören, unvereinbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.9.2021 XII ZB 309/21).
  3. Dies kann bei einer sog. Stellvertretung im Willen der Fall sein, bei der einer dritten Person die Entscheidung über das Ob der Eheschließung und die Auswahl des Ehepartners überlassen

bleibt.

 

LG Berlin 15.12.2022 – 67 S 137/22

Bei § 575 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine international zwingende Formvorschrift i.S.v. Art. 11 Abs. 5 Rom-I-VO.

 

Kein ordre Public Verstoß einer ausländischen gerichtlichen Wunschelternfeststellung bei intensiver Prüfung des Kindeswohls und des der Leihmutter

AG Sinsheim 15.5.2023 – 20 F 278/22

Auch wenn kein Wunschelternteil mit dem durch eine Leihmutter ausgetragenen Kind genetisch verwandt ist, verstößt die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht gegen den deutschen ordre public, wenn eine intensive Prüfung ergibt, dass die Anerkennung dem Wohl des Kindes dient und die Leihmutter freiwillig gehandelt hat.

 

Art 16 HKÜ: Sorgerechtsentscheidung im Staat des rechtswidrigen Kindesverbringens

OGH 20.11.2023 – 6 Ob 190/23v

Nachdem ihnen das widerrechtliche Verbringen des Kindes mitgeteilt wurde, dürfen die Gerichte des Vertragsstaats, in den das Kind verbracht wurde, nach Art 16 HKÜ eine Sachentscheidung über das Sorgerecht erst treffen, wenn insbesondere entschieden ist, dass das Kind aufgrund dieses Übereinkommens nicht zurückzugeben ist. Dieser Aspekt ist bei der Beurteilung, ob das Gericht des anderen Mitgliedstaats den Fall besser beurteilen kann, besonders zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Beurteilung der Voraussetzung des Kindeswohls, bei der im Hinblick auf Art 16 HKÜ nicht außer Acht gelassen werden darf, dass es den Gerichten des Mitgliedstaats, in den das Kind von einem Elternteil widerrechtlich verbracht wurde, so lange unmöglich ist, eine dem Kindeswohl entsprechende Sachentscheidung über das Sorgerecht zu treffen, bis das mit dem Antrag auf Rückgabe des Kindes befasste Gericht dieses Mitgliedstaats zumindest über diesen Antrag entschieden hat.

(Leitsatz v. Burkhard Hess, Wien)

 

Keine Vollstreckung der Entscheidung eines britischen unteren Gerichts in Österreich in einem Fall nach der EU-FluggastVO

OGH 2.11.2023 – 5 Nc 22/23i

  1. Anspruch nach der EU-FluggastVO gegen eine Fluglinie mit Sitz in dem seit 1.1.2021 als Drittstaat anzusehenden Großbritannien.
  2. Trotz der in Art II Abs 2 Vollstreckungsvertrag Österreich-Großbritannien vorgesehenen grundsätzlichen Möglichkeit zur Vollstreckung auch von Entscheidungen „unterer“ Gerichte kommt eine Vollstreckung der Entscheidung eines britischen unteren Gerichts in Österreich mangels qualifizierter Gegenseitigkeit (§ 406 EO) nicht in Betracht.

(Leitsätze v. Burkhard Hess, Wien)

 

Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung fallen nicht unter Art 7 Nr 2 EuGVVO

OGH 25.10.2023 – 2 Ob 177/23b

  1. Der Begriff "unerlaubte Handlung" ist nach Ansicht des EuGH als autonomer Begriff anzusehen, der sich auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird und die nicht an einen "Vertrag" im Sinne von Art 5 Nr 1 anknüpfen.
  2. Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ist gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO in dem Umfang zu bejahen, in dem die Klägerin ihre Ansprüche auf deliktischen Schadenersatz stützt. Hingegen können Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht beim Gerichtsstand für Deliktsklagen des Art 7 Nr 2 EuGVVO geltend gemacht werden.

(Leitsätze v. Burkhard Hess, Wien)

 

Auflösung polyamorer Dreiecksbeziehung in drei bilaterale Zweierbeziehungen und neuseeländischer Property (Relationships) Act 1976

Supreme Court of New Zealand v. 20.6.2023 – Fiona Margaret Mead v. Lilach Paul, [2023] NZSC 70

Zwar wird eine polyamore Dreiecksbeziehung nicht unmittelbar von den güterrechtlichen Bestimmungen des neuseeländischen Property (Relationships) Act 1976 erfasst, die Vorschriften können jedoch auf die einzelnen Paarbeziehungen angewendet werden, aus denen sich die polyamore Beziehung zusammensetzt.

(Leitsatz v. Anna Bobzin, Köln)

 

Art.8 EMRK: Schadensersatz wegen unzureichender behördlicher Unterstützung in Kindesentführungsfall

High Court of Justice (England & Wales) v. 21.2.2024 – Bell v. MPC, [2024] EWHC 379 (KB)

Bei einer Kindesentführung von England nach Brasilien und unzureichender Unterstützung des rechtmäßig handelnden Elternteils durch die Polizei bei der Aushändigung des Reisepasses des Kindes an die Mutter, während der Vater wegen angeblicher Gewalttaten verhaftet wurde, kann ein Schmerzensgeld von 140.000 GBP wegen Verletzung des Art. 8 EMRK zugesprochen werden.

(Leitsatz v. Burkhard Hess, Wien)

 

 

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