Heft 1/2025 (Januar 2025)
Aktuelles Heft (zum Probeabo)
Abhandlungen
W. Hau:
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Drittstaaten und die Revision der EuGVVO: Entscheidungszuständigkeit, Verfahrenskoordination, Anerkennung und Vollstreckbarkeit | 1 |
Im Rahmen der anstehenden Überprüfung der EuGVVO wird zu klären sein, ob ihre Gerichtsstände auf Beklagte ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat ausgedehnt werden sollen (Art. 79 S. 2 EuGVVO). Der Beitrag erörtert diese Frage, zudem aber auch, ob sich die bereits vorhandenen Bestimmungen zur Relevanz von Parallelverfahren in Drittländern bewährt haben und ob verordnungseigene Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit drittstaatlicher Entscheidungen auf die Reformagenda gehören. |
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Ch. Thomale:
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Insolvenzbezogene Lösungsklauseln in grenzüberschreitenden Sachverhalten | 11 |
Vertragliche Lösungsklauseln für den Insolvenzfall bilden ein auf mehreren Ebenen umstrittenes Problem des Vertrags- und Insolvenzrechts. Der Artikel stellt die international vertretenen sachrechtlichen Lösungen rechtsvergleichend vor und widmet sich darauf aufbauend ihrem Kollisionsrecht, insbesondere zu Fragen der Qualifikation. Detaillierte Aufmerksamkeit erhalten dabei antizipierende Lösungsklauseln, die eine Vertragsbeendigung bereits vor Verfahrenseröffnung erlauben. |
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A. Engel/R. Müller:
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Grenzen der Rechtswahlfreiheit bei der Spielervermittlung | 18 |
Das Spannungsverhältnis von Parteiautonomie und staatlichen Regelungsinteressen zeigt sich in einer Entscheidung der Rechtbank Limburg (Niederlande) vom 31.1.2024 (Az. C/03/313729 / HA ZA 23–42). Ausgangspunkt des Rechtsstreits war das Bemühen einer Spielerberatung und -vermittlung, einen deutschen Fußballspieler exklusiv an sich zu binden. Eine solche Klausel ist nach deutschem Recht unwirksam (§ 297 Nr. 4 SGB III); zugleich sah der Vertrag zwischen den Parteien eine Rechtswahl zugunsten niederländischen Rechts vor. Es kam daher darauf an, ob und wie der Unwirksamkeitstatbestand nach deutschem Recht dennoch anzuwenden war. Das niederländische Gericht stellte darauf ab, dass nach Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO die deutsche Vorschrift als zwingendes Inlandsrecht anzuwenden war, weil es an einer Auslandsberührung fehlte. Der Sachverhalt hätte jedoch auch nahegelegt, andere Vorschriften des Internationalen Privatrechts anzusprechen, die unabhängig von einer Rechtswahl der Parteien zur Anwendung dieses Unwirksamkeitstatbestandes führen können: Insbesondere Art. 9 Rom I-VO, wonach Eingriffsnormen unabhängig vom gewählten Recht Wirkung entfalten können, und auch Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO, der die Wirkung einer Rechtswahl in Verbraucherverträgen begrenzt. Der Beitrag untersucht davon ausgehend die internationalprivatrechtlichen Beschränkungen der Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und analysiert die jeweiligen Anforderungen an den Inlands- oder Auslandsbezug des Sachverhalts. Die exemplarische Konstellation eines Spielervermittlungsvertrags mit Exklusivitätsklausel ist von besonderem Interesse, weil sie in mehrerlei Hinsicht einen Grenzfall darstellt. |
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J. M. Blaschczok:
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Die kartellrechtliche Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen | 24 |
Schiedsvereinbarungen sind in den vergangenen Jahren wiederholt in den Fokus des Kartellrechts geraten. Unter dem Eindruck der aktuellen EuGH-Rechtsprechung arbeitet der Beitrag die grundsätzliche Unbedenklichkeit von Schiedsvereinbarungen aus wettbewerblicher Sicht heraus. Sodann werden Sonderkonstellationen besprochen, in denen Schiedsvereinbarungen nach der Rechtsprechung ausnahmsweise kartellrechtswidrig sein können. Dies ist bei Schiedsvereinbarungen der Fall, welche die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf anderweitige Wettbewerbsbeschränkungen erschweren (sog. Reinforcement-Theorie) sowie bei Schiedsvereinbarungen, mit denen ein marktbeherrschendes Unternehmen einer strukturell unterlegenen Partei unfaire Streitbeilegungsmechanismen aufzwingt. Abschließend werden praktische Konsequenzen für das Schiedswesen, insbesondere für den Court of Arbitration for Sports in Lausanne, diskutiert. |
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D. Fischer:
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§ 40 KGSG als Eingriffsnorm | 31 |
Erik Jayme äußerte 2018 in einem Tagungsbericht en passant, dass es sich bei § 40 Abs. 1–4 KGSG um Eingriffsnormen handele. Haimo Schack nimmt dieselbe Qualifikation vor. Dieser Befund kann jedenfalls für § 40 Abs. 1 und 2 KGSG bestätigt werden. Auf die Eigenschaft als Eingriffsnorm dieser beiden Absätze des § 40 KGSG konzentriert sich dieser Beitrag.
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Entscheidungsrezensionen
B. Kasolowsky/C. Wendler:
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Deutsche Gerichte bestätigen Anti-Suit Rechtsbehelf auf Grundlage von § 1032 Abs. 2 ZPO gegen sanktionierte russische Parteien bei Verstoß gegen Schiedsvereinbarungen | 35 |
Nach der Grundsatzentscheidung im vergangenen Jahr, welche die Möglichkeit eines feststellenden Anti-Suit Rechtsbehelfs anerkannte, hat das Berliner Kammergericht die Konturen des Rechtsbehelfs nach § 1032 Abs. 2 ZPO nun geschärft und dessen Anwendungsbereich verbreitert. In seiner neuen Entscheidung bekräftigte das Gericht, dass sanktionierte russische Parteien an zuvor geschlossene Schiedsvereinbarungen gebunden bleiben. Darüber hinaus wählte das Gericht eine pragmatische Lösung, um derzeitige Hindernisse bei der Zustellung an russische Parteien noch gezielter zu überwinden. |
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L. M. Kahl:
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Die Prozesskostensicherheit vor dem Einheitlichen Patentgericht im Vergleich zum deutschen und österreichischen Recht | 37 |
Der Beitrag nimmt eine Entscheidung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) zum Anlass, die Ermessensvorschrift über eine Prozesskostensicherheit, Art. 69 Abs. 4 EPG Übereinkommen (EPGÜ), näher zu untersuchen. Danach können sowohl Vollstreckungsschwierigkeiten gegen Drittstaater als auch das Insolvenzrisiko des Klägers berücksichtigt werden. Der Beitrag befasst sich unter anderem damit, wie sich die Zurechnung von Handlungen des EPG zu den Vertragsmitgliedstaaten nach Art. 23 EPGÜ auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung auswirkt, wie eine sogenannte Versäumnisentscheidung bei fehlender Sicherheitsleistung nach auszulegen ist, und zeichnet die Linie der bisherigen Rechtsprechung nach. Diese lässt sich als Teil einer allgemeinen Tendenz zu besserem Beklagtenschutz begreifen. |
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J. Gibbons:
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Vertretungsbescheinigung eines englischen Notary Public wird anerkannt, ohne Notwendigkeit einer Scrivener Notary-Zulassung: neuer Beschluss des OLG Köln | 45 |
In der Handelsregistersache betreffend die Alead Consulting UG (haftungsbeschränkt), Az. 18 Wx 8/23, hat das OLG Köln kürzlich der Beschwerde gegen einen Beschluss des AG Aachen stattgegeben und die notarielle Vertretungsbescheinigung eines englischen Notars akzeptiert, der nicht sog. „Scrivener Notary" war. Das AG hatte die Eintragung einer Sitzverlegung der Antragstellerin von Charlottenburg nach Aachen zurückgewiesen, und zwar unter anderem mit der Begründung, die juristische Befähigung eines englischen Notars (sog. „Notary Public") reiche nicht aus, die wirksame Bevollmächtigung einer Stellvertreterin festzustellen, die die Muttergesellschaft in der Gesellschafterversammlung der antragstellenden Tochtergesellschaft vertreten sollte. Das Beschwerdegericht teilte die Bedenken des AG bezüglich der Zuverlässigkeit der beigebrachten Vertretungsbescheinigung nicht und erklärte, der Einwand, die Ausbildung eines englischen Notars reiche nicht aus, die Vertretungsmacht im vorliegenden Falle zu beurteilen, treffe nicht zu. Der vorliegende Artikel des derzeitigen Präsidenten der Notaries Society of England and Wales erklärt das berufliche Ansehen, die Qualifikation, rechtliche Kompetenz, behördliche Äquivalenz und Autorität der Notare von England und Wales sowie die Zuverlässigkeit und Beweiskraft ihrer Urkunden.
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Ch. Thomale:
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Erbnachfolge in Kommanditanteile bei grenzüberschreitenden Sachverhalten | 49 |
Zur Besprechung gelangt ein Urteil des OLG Hamm, in dem es um eine Erbfolge in eine Kommanditbeteiligung an einer deutschen KG geht. Erbstatut ist österreichisches Recht, Gesellschaftsstatut der KG ist deutsches Recht. Die Anmerkung konzentriert sich auf die gesellschaftsrechtlichen Bereichsausnahmen vom Erbstatut gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. h) und i) EuErbVO und ordnet diese in den Gesamtzusammenhang des Unionskollisionsrechts ein.
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S. L. Gössl:
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Zur Abgrenzung von anerkennungsfähigen Entscheidungen und nicht anerkennungsfähigen Registereintragungen in Abstammungsfragen | 53 |
Der BGH befasste sich in zwei Fällen mit der Elternschaftszuordnung bei einem Kind, das von einer Leihmutter in der Ukraine geboren wurde. Nach ukrainischem Recht wären die deutschen Wunscheltern die rechtlichen Eltern gewesen. Der BGH lehnte sowohl die verfahrensrechtliche als auch die kollisionsrechtliche Anerkennung dieser Zuordnung ab. Aus dogmatischer Sicht sind die Ausführungen gut vertretbar. Die Unterscheidung zwischen einer „Entscheidung“ und anderen Verwaltungsakten im Sinne einer verfahrensrechtlichen Anerkennung hätte weiter vertieft werden können. |
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M. Andrae:
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Personenstandsrechtliche und sozialrechtliche Berichtigung des Geburtsdatums aufgrund ausländischer gerichtlicher Entscheidungen und öffentlicher Urkunden | 57 |
Zu der Identität einer Person gehört ihr Geburtsdatum. Im sozialrechtlichen Bereich sind die Rechte und Pflichten einer Person teilweise altersabhängig. Das Geburtsdatum ist Teil der sozialrechtlichen Versicherungsnummer. Ist die betreffende Person im Ausland geboren, kommt es öfters vor, dass nur das Geburtsjahr angegeben und – soweit erforderlich – nachgewiesen wird. Das hat entsprechende Folgen für die personenstandsrechtliche Beurkundung und das Sozialrecht. Die personenstandsrechtliche Eintragung beschränkt sich dann auf die Angabe des Geburtsjahrs. Im sozialrechtlichen Bereich wird fiktiv vom 1. Juli des betreffenden Jahres ausgegangen. Die Versicherungsnummer enthält diesbezüglich Leerstellen. Später wird ein konkretes Geburtsdatum geltend gemacht und zum Beweis eine ausländische Entscheidung oder Urkunden vorgelegt. In anderen Fällen wird auf diese Weise ein Geburtsdatum mit anderem Geburtsjahr reklamiert. Im Beitrag wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen die ursprünglich personenstandsrechtliche Eintragung zu berichtigen ist und für den sozialrechtlichen Bereich von einem anderen Geburtsdatum auszugehen ist. |
Rezensierte Entscheidungen
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(s. Seite III) | 64 |
rechtsprechungsübersicht
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(s. Seite III) | 82 |
Blick in das Ausland
A. Anthimos:
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Vollstreckbarerklärung englischer Kostenfestsetzungsbeschlüsse gegen eine Nichtpartei in Griechenland | 85 |
In einem Urteil vom 12.6.2024 begrenzte der französische oberste Gerichtshof (Cour de Cassation) den materiellen Anwendungsbereich der auf Staatsangehörigkeit beruhenden Gerichtsbarkeit (Artikel 14 des frz. Code Civil), indem er Insolvenzverfahren davon ausschloss. Das Urteil ist insoweit bemerkenswert, als der Gerichtshof damit zum ersten Mal seit Jahren die Anwendung dieser exorbitanten Zuständigkeitsregel eingeschränkt hat. Die Begründung des Gerichts ist jedoch stark fallbezogen, so dass es unwahrscheinlich ist, dass diese Entscheidung eine umfassendere Überprüfung dieser Vorschrift ankündigt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Fairness gegenüber Ausländern. |
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M. Klein:
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Spanische Zinsen zwischen Schuld- und Prozessstatut – Zur Qualifikation des spanischen Art. 20 Abs. 4 UAbs. 1 LCS, des § 287 ZPO und zur Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Schuld- und Prozessrecht | 513 |
Eine Third Party Costs Order (TPCO), also ein Kostenfestsetzungsbeschluss zu Lasten einer Nichtpartei, ist schon seit mehr als vierzig Jahren im Vereinigten Königreich gesetzlich geregelt, bleibt aber ein völlig unbekanntes Verfahrenskonzept in Griechenland. Im Rahmen eines Exequaturverfahrens haben sich das erstinstanzliche und das Berufungsgericht zu Piräus erstmals in Griechenland mit dieser Frage befasst, und beide erklärt, dass der Vollstreckbarerklärung einer von einem Richter im Vereinigten Königreich erlassenen TPCO keine Hindernisse entgegenstehen, insbesondere nicht solche, die mit dem verfahrensrechtlichen ordre public zusammenhängen. |
Internationale Abkommen
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Schriftumshinweise
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Neueste Informationen
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II, IV ff. |