Heft 2/2025 (März 2025)

Aktuelles Heft (zum Probeabo)

Abhandlungen

C. Budzikiewicz/H.-P. Mansel/K. Thorn/R. Wagner:
Europäisches Kollisionsrecht 2024: Business as usual? 93

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Brüsseler Entwicklungen auf dem Gebiet der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen in der Zeit von Januar 2024 bis Dezember 2024. Er gibt einen Überblick über die neu erlassenen Rechtsakte und berichtet über aktuelle Projekte sowie neue Instrumente, die sich zurzeit im EU-Gesetzgebungsverfahren befinden und informiert über die deutsche Begleit- und Durchführungsgesetzgebung zu neuen EU-Instrumente. Die Autoren besprechen sowohl wichtige Entscheidungen und anhängige Verfahren vor dem EuGH als auch wichtige Entscheidungen deutscher Gerichte, die den Gegenstand des Artikels betreffen. Auch werden aktuelle Projekte und die neuesten Entwicklungen bei der Haager Konferenz für internationales Privatrecht skizziert.

Th. Klink:
Die Verfahrensführung in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten vor dem Commercial Court 127

 

Das ab dem 1.4.2025 geltende Justizstandort-Stärkungsgesetz will mit Schaffung der Commercial Courts und der Commercial Chambers eine innovative Verfahrensführung in wichtigen Bereichen des Wirtschaftsrechts ermöglichen (B2B-Fälle, M&A-Fälle und Fälle der gesellschaftsrechtlichen Organhaftung). Die staatliche Gerichtsbarkeit soll gerade für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten attraktiver werden. Aufbauend auf einer Parteivereinbarung nach §§ 119b Abs. 2, 184a Abs. 3 GVG zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Commercial Courts und zur Verfahrensführung auf Englisch analysiert der Beitrag Einzelheiten der neu geschaffenen Verfahrensinstrumente und deren Umsetzung in der Praxis. Der Schwerpunkt liegt auf dem erstinstanzlichen Verfahren. Daneben werden die Besonderheiten im Rechtsmittelverfahren und bei der grenzüberschreitenden Urteilsvollstreckung dargestellt.

A. S. Zimmermann:
Passportisation - Staatsangehörigkeit zwischen Völkerrechtswidrigkeit und IPR-Konformität in Zeiten russischer Zwangseinbürgerungen 134

seiner Staatsangehörigkeit als strategisches Vehikel: Es werden im großen Stil Ukrainerinnen und Ukrainer in besetzten Gebieten in Russland eingebürgert, sie erlangen so neben ihrer ukrainischen auch die russische Staatsangehörigkeit. Dabei wird teilweise erheblicher Druck auf die Betroffenen ausgeübt. Die vorliegende Untersuchung will die international-privatrechtlichen Folgen dieser Strategie aufarbeiten und dabei insbesondere auch den völkerrechtlichen Hintergrund in den Blick nehmen. Damit soll sie neben der Beantwortung der gestellten Einzelfrage zugleich einen Beitrag dazu leisten, die völkerrechtlichen und international-privatrechtlichen Paralleldiskurse zusammenzuführen.

G. Kulov:
Begründung und kollisionsrechtliche Probleme der Durchgriffshaftung inländischer Unternehmen im Lichte der Sorgfaltspflichten-Richtlinie 140

Die Sorgfaltspflichten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (EU) No. 2024/1760) legt bestimmte Sorgfaltspflichten fest, deren schuldhafte Verletzung zu einer zivilrechtlichen Haftung führen kann. Die Richtlinie gilt nicht nur für Unternehmen aus Mitgliedstaaten, sondern auch für Unternehmen aus Drittstaaten, die bestimmte Umsatzschwellen überschreiten. Die zivilrechtliche Haftung kann jedoch nicht immer gegen solche Unternehmen aus Drittstaaten durchgesetzt werden, da die EuGVVO keine Zuständigkeit der europäischen Gerichte für Klagen gegen solche drittstaatlichen Unternehmen vorsieht. Dies eröffnet auch europäischen Unternehmen die Möglichkeit, sich durch konzerninterne Umstrukturierungen der zivilrechtlichen Haftung nach der Richtlinie zu entziehen. Die Ausnutzung dieser Durchsetzungslücke der Richtlinie zur Umgehung der zivilrechtlichen Haftung kann eine grenzüberschreitende Durchgriffshaftung europäischer Unternehmen begründen, insbesondere, wenn sie ursprünglich von der Richtlinie erfasst werden sollten. Eine solche Durchgriffshaftung kann als zwingende Eingriffsnorm ausgestaltet werden, wenn das ausländische Gesellschaftsstatut einschlägig ist. Mangels einer entsprechenden Regelung in der Richtlinie führt die Begründung einer solchen Durchgriffshaftung durch die Rechtsprechung jedoch zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit. Es sollte daher erwogen werden, eine solche Haftung durch eine Änderung der Richtlinie einzuführen, um eine Umgehung der Richtlinie zu verhindern.

S. L. Gössl:
Ukrainische Feststellungsentscheidungen in Leihmutterschaftsfällen – Elternzuordnung der Wunscheltern ex tunc oder ex nunc 150

Seit der BGH entschieden hat, dass eine ukrainische Geburtsregistrierung keine anerkennungsfähige Entscheidung darstellt, ist die Praxis in ukrainischen Leihmutterschaftsfällen umgeschwenkt: Um eine anerkennungsfähige Abstammungsentscheidung zugunsten der Wunscheltern zu erlangen, wird nun nach Durchführung des Leihmutterschaftsverfahrens eine gerichtliche Feststellungentscheidung in der Ukraine angestrebt. Diese kann in Deutschland verfahrensrechtlich anerkannt werden. Dogmatisch korrekt ist es, eine solche Elternzuordnung mit ex tunc-Wirkung zu versehen, wenn dies Inhalt der Gerichtsentscheidung ist. Das Problem des Schutzes des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Herkunft in grenzüberschreitenden Leihmutterschaftsfällen – welches bei einer ex nunc-Zuordnung besser gewahrt würde – bleibt ungelöst. Ein entsprechendes Register sollte eingeführt werden.

Entscheidungsrezensionen

J. Kondring:
Die EuZustVO und die Zustellung an einen inländischen Bevollmächtigten 152

In einem aktuellen Vorabentscheidungsverfahren hatte der EuGH über die Frage zu entscheiden, ob im räumlichen Anwendungsbereich der Europäischen Zustellungsverordnung eine kartellrechtliche Schadensersatzklage gegen die inländische Tochtergesellschaft eines ausländischen Kartellanten nach der im Kartellrecht entwickelten Lehre von der "Einheit des Unternehmens" zugestellt werden kann. Nach Auffassung des EuGH ergibt sich eine solche Möglichkeit nicht aus der Europäischen Zustellungsverordnung selbst. Die Europäische Zustellungsverordnung ist jedoch nicht auf die Zustellung eines Schriftstücks im Mitgliedstaat des Gerichtsstands an einen von der zuzustellenden Person bevollmächtigten Vertreter anwendbar. Eine solche Zustellungsvollmacht kann auch auf gesetzliches Recht einschließlich der lex fori des Forumsstaates gestützt werden. Insoweit könnte der Forumstaat in seinem autonomen Recht unter bestimmten Voraussetzungen sogar inländische Zustellungen an die inländische Tochtergesellschaft einer ausländischen Muttergesellschaft zulassen, wie dies im Recht einiger US-Bundesstaaten für so genannte "involuntary agents" der Fall ist. Erfolgt die Zustellung an eine nicht hinreichend bevollmächtigte Person im Gerichtsstaat, kann der Zustellungsfehler nicht geheilt werden. Dies gilt jedoch nur für verfahrenseinleitende Schriftstücke, da die Europäische Zustellungsverordnung keine Ausschließlichkeit für die Zustellung von nicht verfahrenseinleitenden Schriftstücken vorsieht, was sich auch aus den Materialien zur Europäischen Zustellungsverordnung in der Fassung von 2020 sowie aus Artikel 22, der sich nicht auf verfahrenseinleitende Schriftstücke bezieht, ergibt.

L. Liu:
Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Volksrepublik China 158

Die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus deutschen Verfahren in China gestaltet sich in der Praxis aufgrund der unterschiedlichen Rechts- und Gerichtssysteme, Rechtsgrundlagen und Verfahrensweisen beider Länder oft schwierig. Es gibt bereits zahlreiche Urteile, die sich mit diesem Thema, einschließlich der öffentlichen Zustellung in Deutschland, befasst haben. Dieser Aufsatz wird zunächst die Rechtsgrundlagen für die Zustellung ausländischer gerichtlicher Schriftstücke in China sowie den Ablauf, die Methoden und Mittel der Zustellung darlegen und anschließend analysieren, ob die öffentliche Zustellung im Fall des Urteils des LG Krefeld vom 06.10.2022 – 7 O 156/20 – mangelhaft war.

F. Maultzsch:
The Impact of US-American Iran Sanctions on Contracts under German Law 164

Das OLG Frankfurt a.M. hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit den extraterritorialen Auswirkungen sog. US-Sekundärsanktionen bei Verträgen mit iranischen Wirtschaftsakteuren zu befassen, auf die deutsches Recht anwendbar ist. Insbesondere hatte es zu entscheiden, inwieweit die drittstaatlichen Sanktionen die Anwendung des deutschen Leistungsstörungsrechts auf materiell-rechtlicher Ebene beeinflussen können, wenn die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung forumsfremder Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht vorliegen. Hierbei hatte das Gericht auch die Bedeutung und Reichweite der EU Blocking-VO zu würdigen. Der Beitrag stimmt der, gegenüber einer Berücksichtigung der US-Sanktionsprogramme restriktiven, Linie des OLG Frankfurt a.M. zu und akzentuiert dabei die Prägewirkung der Grundentscheidung des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO und den Aspekt der institutionellen Kompetenz im Umgang mit drittstaatlichen Sanktionsdrohungen.

M. Fornasier
Abstimmung zwischen Europäischem Nachlasszeugnisverfahren und mitgliedstaatlichem Registerrecht 171

Der in Art. 1 Abs. 2 lit. l und Art. 69 Abs. 5 EuErbVO geregelte Vorbehalt zugunsten des mitgliedstaatlichen Registerrechts ist geeignet, die praktische Wirksamkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses zu gefährden. Soll das Zeugnis nicht seiner Legitimationsfunktion gegenüber ausländischen Registerbehörden beraubt werden, bedarf es einer Abstimmung zwischen dem Verfahren zur Ausstellung des Zeugnisses und den mitgliedstaatlichen Registerverfahren. Im Verfahren Kubicka hatte der Europäische Gerichtshof den Registervorbehalt noch restriktiv ausgelegt, um die Effektivität des Zeugnisses sicherzustellen. In der hier zu besprechenden Entscheidung Registrų centras hat der EuGH hingegen der praktischen Wirksamkeit des Zeugnisses bedauerlicherweise keine Beachtung geschenkt und ist zu einer wenig sachgerechten Aufgabenteilung zwischen Ausstellungs- und Registerbehörden gelangt. Der folgende Beitrag analysiert die Entscheidung des Gerichtshofs, beleuchtet den rechtlichen Hintergrund des Verfahrens und nimmt die Folgen vor allem für die Praxis der deutschen Nachlassgerichte bei der Ausstellung des Zeugnisses in den Blick.

 

Rezensierte Entscheidungen
(s. Seite III) 179

Blick in das Ausland

M. Scherer/O. Jensen/C. Kalelioğlu:
Schiedsvereinbarungsstatut trifft auf Anti-Suit Injunctions im Zusammenhang mit Russland-Sanktionen: Die Entscheidung des UK Supreme Courts in Sachen UniCredit Bank GmbH v RusChemAlliance LLC 200

Westlichen Sanktionen gegen russische Unternehmen begegnet die Russische Föderation u.a. mit einem Gesetz, wonach russische Gerichte sich für Streitigkeiten zuständig erklären können, obwohl eine derogierende Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung vorliegt. Russische Gerichte wenden diese Regelung an, um sich für zuständig zu erklären, wo andernfalls keine Zuständigkeit bestünde, und erlassen Verfügungen gegen die Durchführung von Verfahren außerhalb Russlands sowie von Schiedsverfahren. Mit einem solchen Fall hatte sich der Supreme Court des Vereinigten Königreichs in der Rechtssache UniCredit v RusChem auseinanderzusetzen. Dabei hat er die Befugnis englischer Gerichte gestärkt, Schiedsklauseln durch sogenannte anti-suit injunctions zu schützen. Gleichzeitig hatte er in jüngerer Zeit zum dritten Mal Gelegenheit, sich zur Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts nach englischem Recht zu äußern. Die vorliegende Anmerkung beleuchtet die Entscheidung des UK Supreme Court in beiderlei Hinsicht. Sie untersucht die Auswirkung der Entscheidung auf englischem Recht unterliegende Verträge mit Schiedsklausel und ordnet sie hinsichtlich der Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatus in neuere Entwicklungen ein.

Mitteilungen
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Schriftumshinweise
218

Neueste Informationen
II, IV ff.

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